Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton wird sich schwertun, beim Grand Prix von Europa in Baku seinen Erfolgslauf auf Straßenkursen fortsetzen zu können. Während Mercedes-Teamkollege und WM-Leader Nico Rosberg bei der Grand-Prix-Premiere in Aserbaidschan Pole holte, wurde Hamilton nach einem selbst verschuldeten Unfall nur Zehnter.
Zweiter war überraschend Sergio Perez, sein Force India wird aber auch von einem Mercedes-Motor befeuert. Weil am Auto des Mexikaners nach einem Last-Minute-Unfall im P3 das Getriebe gewechselt worden war, muss Perez in der Startaufstellung aber fünf Plätze zurück. "Schade. Platz zwei fühlt sich für mich wie eine Pole an", seufzte er.
Der zweite Platz in Reihe eins gehört damit am Sonntag (15.00 Uhr MESZ, live ORF 1, RTL, Sky) Daniel Ricciardo im Red Bull. Die Autos von Dietrich Mateschitz waren davor vor allem wegen der bis zu 350 km/h schnellen und längsten Vollgas-Geraden im Kalender weit weg von den Mercedes gewesen.
In der Nacht auf Samstag hatte man aber bei Red Bull "bis auf die Lackierung" (Teamchef Christian Horner) alles geändert. "Wir haben das Setup und den Motor in die richtige Richtung adaptiert. Deshalb waren wir schon nach P3 zuversichtlich, dass wir in die Top vier kommen", gab sich auch Konsulent Helmut Marko zufrieden.
Ricciardo selbst hatte am Ende gleich doppelt Glück. Denn auch der auf die Tausendstel zeitgleiche Sebastian Vettel blieb im Ferrari hinter ihm, weil er seine Zeit drei Sekunden nach Ricciardo erzielt hatte.
"Es war im Finish ziemlich hektisch da draußen, deshalb bin ich echt happy", sagte der bei der Pressekonferenz neben Rosberg gesessene Ricciardo. Zuletzt hatte der Westaustralier bei drei Rennen in Folge Riesenpech gehabt, in Baku soll sich das Schicksal wenden.
Rosberg hatte nach seiner 25. Pole seinerseits viel Grund zu grinsen. "Heute ging es drunter und drüber. Es war eines der spannendsten Qualifyings seit langem. Aber für mich ist es cool gelaufen", erzählte der WM-Leader.
Seine Bestzeit hatte Rosberg mit der zweiten schnellen Runde seines ersten Stints erzielt, nachdem er die erste wegen eines ersten Hamilton-Fehlers abbrechen musste. Auf einen zweiten Versuch konnte er dann verzichten.
Für den nach Siegen in Monaco und Kanada nur noch neun Punkte hinter Rosberg liegenden Hamilton ist im Kaukasus von Reihe fünf aus nur noch Schadensbegrenzung drin. "Gestern hatte ich eine guten Rhythmus, heute gar keinen", sagte der Brite, der alle drei Trainings dominiert hatte. Im Q3 knallte er zwei Minuten vor Schluss im Bergauf-Teil aber mit dem rechten Hinterreifen gegen die Mauer.
Die Qualifikation für das erste Formel-1-Rennen in Aserbaidschan verlief wie erwartet turbulent. Auf dem rutschigen und im Altstadt-Teil engen und steilen Straßen-Kurs verbremste sich fast jeder Fahrer zumindest einmal und landete im Notausgang. Reversieren, Rangieren und Powerdrifts folgten im Minutentakt. Zumindest weiß nun jeder Zuseher dank Baku, dass Formel-1-Autos auch Retourgänge haben.
Nicht nur Rosberg warnte davor, Hamilton vorzeitig abzuschreiben. "Es wird viele Safety Cars und Restarts geben", stellte sich der Deutsche auf ein turbulentes Rennen ein. "Und Lewis ist schon mehrmals von Platz zehn aus gut zurückgekommen."
Marko sah das ähnlich. "Dieses Rennen muss man erst einmal beenden, das ist die Grundvoraussetzung. Und Hamilton wird, nachdem es eine oder zwei Safety Car Phasen geben wird, mit dem schnellsten Auto locker einige überholen."
Hamilton hatte im Gegensatz zu vielen Kollegen die neue Strecke weder am Simulator noch zu Fuß wirklich begutachtet. Auch den vielen Warnern vor der angeblichen Gefährlichkeit des 3.006 Meter langen Baku City Circuits hatte er sich nicht angeschlossen. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone war diesbezüglich am Samstag sogar so weit gegangen, den Zauderern unter den Piloten die Heimreise nahezulegen.
Baku sei eine Strecke für Fahrer mit Eiern, wurde der 85-jährige Brite zitiert. Ähnlich tönte der ehemalige Le-Mans-Sieger Marko. "Hallo? Wir sind in der Formel 1", sagte der Österreicher. "Das ist eine attraktive Strecke und Zwischenfälle sind Teil des Geschäftes."
"Auf falscher Seite des Grates"
Lewis Hamilton hat nach seinem Unfall im Baku-Qualifying Fehler eingestanden und sich entschuldigt. "Manchmal ist es ein schmaler Grat und heute stand ich ganz klar auf der falschen Seite", sagte der Formel-1-Weltmeister. Ich werde alles geben, um es morgen wieder gut zu machen", ergänzte der 30-Jährige.
Laut Hamilton gäbe es keine besondere Erklärung für seinen Fehler. "Nun geht es am Sonntag erst einmal um Schadensbegrenzung. Ich bezweifle aber stark, dass ich um den Sieg mitkämpfen kann", sagte Hamilton.
Ihm sei aber auch klar, dass in wahrscheinlichen Safety-Car-Phasen seine ganz große Chance liegen würde. "Das Auto ist hier gut und unsere Pace ist besser als die der meisten anderen. Ich muss nur durch die erste Kurve kommen."
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gestand "gemischte Emotionen" ein, traut Hamilton aber selbst von Platz zehn aus noch einen Stockerlplatz zu. "Nico hat eine großartige, saubere Pole herausgefahren. Aber es war eindeutig nicht Lewis' Tag", sagte der Österreicher.
Bei dem Unfall Hamiltons sei die rechte Aufhängung am Auto gebrochen, berichtete Wolff. "Für Lewis ist noch nichts verloren. Wenn man die erste Runde übersteht, gibt es hier viele Gelegenheiten", ist der Wiener überzeugt. "Auf dieser Strecke sollte es dank der langen Geraden einfacher sein, Plätze gutzumachen. Wir werden alles tun, um unsere beiden Jungs auf das Podium zu bringen."