Niki Lauda spielt mal wieder des Teufels Advokat: „Die WM ist noch lange nicht entschieden. Noch ein solches Rennen für uns wie in Singapur und Sebastian Vettel ist dran... Und wir wissen, was er für ein toller Fahrer ist, was er alles mögliche machen kann.“ Rein theoretisch nicht ganz falsch – immerhin liegt Vettel ja „nur noch“ 49 Punkte hinter Spitzenreiter Lewis Hamilton. Andererseits: Kaum jemand erwartet, dass sich die Mercedes-Probleme jetzt in Japan – und auch bei den meisten kommenden Rennen wiederholen. Speziell nicht jetzt in Suzuka, wo sowohl die Streckencharakteristik als auch der zum Einsatz kommende Reifentyp eindeutig für die Silberpfeile sprechen.
Die Analyse aller Singapur-Daten und Fakten bei Mercedes ergab, dass die erste Annahme, es hätte sich um Reifen-Probleme gehandelt, nicht falsch war. „Wenn man auf einmal ohne wirklich ersichtlichen Grund 1,5 Sekunden pro Runde verliert, dann kann das eigentlich nichts anderes sein“, glauben die meisten Formel-1-Ingeniure. Bekannt ist: Singapur gilt durch seine Charakteristik und seinen Asphalt als Strecke, auf der die Reifen nur in einem sehr schmalen Temperaturfenster optimal arbeiten. Vor allem bei den diesjährigen Supersofts war das wohl besonders kritisch. Ein paar Grad daneben – und schon geht gar nichts mehr. Bei Mercedes-Teamchef Toto Wolff klingt das so: „Wenn die Matrix der Parameter für die Reifenbehandlung nur in einem Punkt nicht stimmt, bezahlst du massiv dafür.“
Kein Stadtwagen
Allerdings war es wohl ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren und auch Fehler, die zu dem Problem führten. Der Mercedes ist ein Auto, dass in seiner technischen Ausrichtung absolut nicht auf Stadtkurse ausgelegt ist. "Die Aero-Charakteristik unseres Autos ist auf Effizienz ausgelegt. Also maximaler Abtrieb bei möglichst wenig Luftwiderstand. Deshalb sind wir auf Strecken wie Suzuka oder Spa so stark. Und deshalb tun wir uns auf Strecken so schwer, wo nur maximaler Abtrieb verlangt wird“, sagt Technikchef Paddy Lowe. Denn wenn das Auto dann – wie auf einem Stadtkurs – eben doch nicht genug Anpressdruck entwickelt, arbeiten auch die Reifen schlechter. Sie entwickeln zu viel Hitze auf der Oberfläche und zu wenig Temperatur im Unterbau. "Dazu haben wir Fehler beim Setup gemacht", gibt Lowe zu und erinnert sich: "Singapur war schon im letzten Jahr unsere schwächste Strecke."
Aber Suzuka – und die meisten anderen der noch kommenden Kurse – sind mit Singapur nicht zu vergleichen. Gerade jetzt in Suzuka spielen Motorleistung und Abtrieb, zwei große Stärken von Mercedes, im Gegensatz zu Singapur wieder die entscheidende Rolle. Außerdem kommen hier wieder die härteren Reifenmischungen zum Einsatz, mit denen Mercedes bis jetzt grundsätzlich eher stärker aussah als Ferrari, deren „Temperaturfenster“ auch deutlich breiter ist, so dass man bei der Abstimmung des Autos auch nicht ganz so genau treffen muss. Ein zusätzliches Update im Bereich Aerodynamik bringt Mercedes außerdem nach Japan mit: neuer Frontflügel, neuer Heckflügel – und an der Motorabdeckung am Heck wurde auch noch einmal Feinarbeit geleistet.
Vettel bleibt ein Realist
So geht auch Sebastian Vettel davon aus, dass Mercedes dort wieder von vorn sein wird, „aber ich hätte natürlich auch nichts dagegen, wenn es nicht so wäre. Es ist eine ganz andere Strecke, aber natürlich hoffen wir, wieder konkurrenzfähig zu sein.“ Allerdings müssen man realistisch bleiben. „Es war schon eine große Überraschung, dass Mercedes Probleme hatte. Ich denke nicht, dass das hier auch der Fall sein wird, es wäre wieder eine große Überraschung. Aber wenn die Chance da ist, dann muss man sie ergreifen. Wir müssen abwarten. Auch das Wetter könnte für eine Überraschung sorgen.“ Zumindest bis Samstag ist ja immer wieder Regen angekündigt.
Von Karin Sturm