Helmut Marko hat vor dem Japan-Grand-Prix die Ausstiegsdrohungen von Red Bull aus der Formel 1 wiederholt. "Es gibt die Option. Ohne Motor, mit dem wir ganz vorne mitfahren können, hören wir besser auf", sagte der Konsulent des austro-englischen Teams in einem Interview mit www.formula1.com. Laut Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz könnte der Vorhang schon nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi fallen.
Red Bull hatte von 2010 bis 2013 mit dem deutschen Piloten Sebastian Vettel sowie Renault-Motoren vier Fahrer- und Konstrukteurs-Titel gewonnen. Seit dem Vorjahr ist man nach der Umstellung auf Turbo-Hybridmotoren wegen der Schwäche des französischen Motorenpartners aber arg ins Hinterreffen geraten und aktuell nur noch WM-Vierter hinter Mercedes, Ferrari und Williams. Erst kürzlich wurde deshalb das vorzeitige Ende der eigentlich bis inklusive 2016 geplant gewesenen Zusammenarbeit mit Renault bekanntgegeben.
Zu schwache Renault-Motoren
"Renault konnte uns keinen Motor mehr geben, mit dem wir vorne an der Spitze mitfahren können. Auch für 2016 war nicht zu erkennen, dass sie (Renault, Anm.) mit Mercedes oder Ferrari auf Augenhöhe sind", sagte Red-Bull-Motorsportberater Marko zu diesem Schritt, der sich schon seit dem Jahresbeginn abgezeichnet hatte. "Wir sind Kunden. Niemand mag Geld für ein inferiores Produkt ausgeben. Also war es Zeit für eine Entscheidung", lautete die Erklärung des 72-jährigen Österreichers.
Marko bestätigte in dem Interview auch, dass ein lange im Raum gestandener Motoren-Deal mit Mercedes geplatzt sei, weil die derzeit tonangebenden Deutschen zu viel Konkurrenz gefürchtet hätten. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hatte sich zwar lange Zeit gesprächsbereit gezeigt, ist nun aber offenbar gleicher Meinung wie Weltmeister Lewis Hamilton, der von Beginn an strikt dagegen gewesen war. Man will bei Mercedes lieber weiterhin unabhängige Privatteams ausrüsten und nicht ein vierfaches Weltmeisterteam.
Damit bliebe dem immer wieder mit Volkswagen in Verbindung gebrachten Unternehmen Red Bull wohl nur noch Ferrari, um die Übergangsphase bis zu einem möglichen Formel-1-Eintritt einer Volkswagen-Marke (Audi) mit einem konkurrenzfähigem Motor zu überbrücken. 2017 will sich die Königsklasse technisch komplett neu aufstellen.
VW und der Dieselskandal
Die Situation ist seit kurzem freilich doppelt heikel, weil VW gerade wegen des Dieselskandals andere Sorgen hat als die Formel 1. Marko würde prinzipiell das Dazustoßen eines weiteren Motorenherstellers natürlich begrüßen. "Ich glaube aber nicht, dass man bei VW ein fertiges Motoren-Konzept in der Lade hat. Es gibt Gerüchte, aber das ist derzeit alles Kaffeesudlesen."
Trotz guter Gespräche sei ein Deal mit Ferrari noch nicht fixiert, betonte Marko in dem Interview. Dabei könnte Red Bull als Kundenteam offenbar auch mit einigen PS weniger gut leben. "Man kann heute mit GPS und anderen Parametern schnell feststellen, was man wirklich bekommen hat. Die Hardware wäre nicht das Problem. Die Frage ist, ob man die gleiche Software und den gleichen Benzin bekommt", erklärte Marko.
Auch die Konstruktion des Autos rund um einen neuen Antriebsstrang sei weder technisch noch finanziell ein Problem, betonte der ehemalige Le-Mans-Sieger Marko. "Wir haben gute Leute und eine Super-Fabrik und hätten sowieso ein neues Chassis bauen müssen." Ideal wäre, sowohl Red Bull Racing als auch das Schwesternteam Toro Rosso mit Ferrari-Motoren auszurüsten.
Die Auswirkungen
Bis hier Klarheit herrscht, bleibt laut Marko trotz der vorhandenen Verträge und des bis zumindest 2020 fixierten Grand-Prix-Rennens in Österreich ein kompletter Ausstieg eine Option. Der Formel 1 sei das auch bewusst. "Ich denke aber, dass noch nicht alle komplett verstanden haben, welche Auswirkung das wirklich hätte", sagte Marko.
Revidiert hat der Hotelier und Unternehmer aus Graz längst die sportlichen Ziele für das laufende Jahr, in dem man mit Red Bull Racing zumindest WM-Dritter werden wollte. "Jetzt kommen mit Suzuka, Sotschi, Austin und Brasilien Power-Strecken, wir haben nicht die geringste Chance", fürchtet Marko. "Realistischer Weise geht sich da höchstens Platz vier aus."
Über die kommende Saison hinaus will und kann Marko derzeit offenbar nicht blicken. "Tatsache ist, ohne konkurrenzfähigen Motor gibt es für Red Bull keine Zukunft in der Formel 1." Der Vorhang könnte nach Abu Dhabi fallen, das sei Herrn Mateschitz' Meinung, so Marko. "Er weiß, dass es gleich viel kostet, ob man ganz vorne oder nur im Premium-Mittelfeld herumfährt, so wie wir das gerade tun. Er will das nicht noch eine weitere Saison mitmachen."