Es war kein einfaches Jahr für Max Verstappen. Der pikante Skandal um Teamchef Christian Horner zu Saisonbeginn, viele Negativ-Schlagzeilen um Machtkämpfe, Anfeindungen und sportliche Rückschläge sowie stetige Wechselgerüchte erschwerten dem Red-Bull-Star die tägliche Arbeit. Trotzdem blieb der 27-jährige Niederländer cool, er besann sich auf seine Stärken hinter dem Lenkrad und bewahrte den teilweise erschreckend schwächelnden Branchenführer vor dem Totalschaden.
Verstappen bescherte dem österreichisch-britischen Rennstall in Las Vegas sogar den Hauptgewinn: Der vierte WM-Titel in Serie wird eine Saison voller Ablenkungen überstrahlen. Verstappen trat auf dem Weg zur Formel-1-Legende in die Fußstapfen von Sebastian Vettel, der bei Red Bull Racing ebenfalls vier Weltmeisterschaften (2010-2013) einfuhr. Obwohl sein RB20 bereits vor der zweiten Saisonhälfte überraschend an Performance verlor - und dadurch noch mehr Verstappens Fähigkeiten gefragt waren.
Kommentar
Max-Faktor als Unterschied
Der „Max-Faktor“ machte im Saisonfinish wieder den Unterschied. „Max Verstappen ist für mich der beste Fahrer der Welt, und das hat er auch in den schwierigen Phasen dieser Saison unter Beweis gestellt“, lobte sein oberster Boss, Red Bulls Geschäftsführer Oliver Mintzlaff. Er habe sein Ziel zu keiner Zeit aus den Augen verloren, sagte der Deutsche.
Talent ist das eine, Entschlossenheit formt Weltmeister. „Wenn du auf der Strecke gewinnen willst, wenn du ein Champion sein willst, musst du am Limit sein“, betonte Verstappen in einem BBC-Interview. Und dabei keine Nerven zeigen. Sein McLaren-Herausforderer Lando Norris stand in diesem Jahr beispielsweise sieben Mal auf der Pole Position, konnte seinen Startplatz-Vorteil aber nur zweimal in einen Grand-Prix-Sieg ummünzen.
Kompromisslos und am Limit
Verstappen stellte zeitweise sogar seine Freundschaft mit Norris aufs Spiel, mehrmals gerieten die beiden Weggefährten auf der Strecke aneinander. Um jeden Zähler kämpfte er mit aller Macht, was im Duell mit dem in der zweiten Saisonhälfte stärkeren McLaren wieder den knallharten und kompromisslosen Rennfahrer in Max Verstappen zum Vorschein kommen ließ. Am Limit - und manchmal auch ein bisschen darüber hinaus, ob er dafür bestraft wurde oder nicht.
Zuvor hatten die Vorwürfe des unangemessenen Verhaltens von einer Mitarbeiterin gegen Horner seinen Rennstall monatelang belastet. Der Brite war am Ende in einer internen Untersuchung freigesprochen worden. Zwischendurch schien ein Aus von Horner bevorzustehen, befeuert auch durch öffentliche Aussagen von Verstappens Vater Jos. Dann wiederum schien es im internen Machtkampf für Verstappen-Intimus Helmut Marko, den 81-jährigen Motorsportberater von Red Bull, eng zu werden. Ein Krisengipfel mit Mintzlaff beendete die Spekulation auch um einen möglichen vorzeitigen Weggang von Verstappen trotz Vertrages bis einschließlich 2028.
Probleme und Abgänge
Verstappen ließ sich sportlich davon zumindest nicht besonders beirren und gewann sieben der ersten zehn Rennen. Doch bei der Weiterentwicklung des Boliden wählte das Team den falschen Weg. Auf einmal blieb Verstappen zehn Saisonrennen ohne Sieg. Taktische Fehler kamen hinzu, selbst Paradedisziplinen wie Reifenwechsel machten auf einmal Probleme. Der oft so launig-freche Dialog zwischen Verstappen und seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase artete teilweise in gegenseitiges Angiften aus.
Im Mai war zudem der Abgang von Design-Genie Adrian Newey zu Aston Martin nach dieser Saison bekannt geworden. In der Sommerpause folgte die Mitteilung, dass Sportdirektor Jonathan Wheatley den Red-Bull-Rennstall zum Jahresende verlassen und beim künftigen Audi-Team anheuern wird. Auf der Strecke hielt Verstappen den Punkteverlust in Grenzen und legte im Regenchaos von Sao Paulo Anfang November den Grundstein zur erfolgreichen Titelverteidigung.
Ritterschlag von Ecclestone
Bernie Ecclestone habe ihn nach dem Grand Prix in Brasilien angerufen, erzählte Verstappens Teamchef Horner. Ecclestone, mittlerweile 94 Jahre alt und jahrzehntelanger Geschäftsführer der Formel 1, sagte nach Angaben von Horner: „Ich habe alle Großen gesehen, aber das ist einer der Besten, die ich je gesehen habe.“ Verstappen hatte zuvor unter schwierigsten Bedingungen von Startplatz 17 aus das Rennen gewonnen.
Nun steht Verstappen wieder ganz oben, trotz aller Widrigkeiten. „Wenn man sich am Ende einer solchen Saison mit Höhen und Tiefen durchsetzt, dann zeigt das die herausragende Qualität von Max Verstappen und unserem gesamten Team“, meinte Mintzlaff. Im kommenden Jahr wird Verstappen wieder angreifen - und womöglich wird 2025 auch etwas ruhiger für ihn verlaufen.