Wunderkind, Ausnahmeerscheinung, Rüpel, Egoist – Max Verstappen wurde seit seinem Formel-1-Debüt am 15. März 2015 mit vielen Namen belegt. Niemand polarisierte in den vergangenen neun Jahren mehr, niemand teilt die Motorsportwelt deutlicher in zwei Lager auf als der jüngste Fahrer, der jemals an einem Grand Prix teilgenommen und gleichzeitig auch einen gewonnen hat. Nicht die einzigen Meilensteine einer schon jetzt legendären Karriere, die spätestens am 8. Dezember beim Saisonfinale in Abu Dhabi mit dem vierten Weltmeistertitel in Folge gekrönt werden wird.

Daran besteht nach der jüngsten Vorstellung im Schwimmbecken von Interlagos kaum noch Zweifel, bereits im nächsten Rennen auf den Straßen von Las Vegas hat das Red-Bull-Aushängeschild die Titelkarten in der eigenen Hand. Gewinnt Verstappen in der Spielermetropole, steigt er in Sachen WM-Titel in eine Riege mit Alain Prost und Sebastian Vettel auf – im Alter von gerade einmal 27 Jahren. Vor ihm liegt dann nur noch das Trio Juan Manuel Fangio, Lewis Hamilton und Michael Schumacher – allein diese Aufzählung beweist, dass Verstappen zu einem der größten Formel-1-Fahrer aller Zeiten zählt.

In einer eigenen Welt

In Brasilien hat es Verstappen seinen schärfsten Kritikern bewiesen, die seine drei bisherigen WM-Titel alleine auf strittige Entscheidungen der FIA und ein übermächtiges Arbeitsgerät zurückführten. Keine Frage, diese Argumente spielten in den vergangenen Jahren mit Sicherheit eine Rolle, in der historischen Vorsaison mit 19 Siegen in 22 Rennen war kein anderes Auto annähernd in der Nähe des RB19. Doch in diesem Jahr wendete sich das Blatt.

Trotz phänomenalem Saisonauftakt kam der dreifache Champion zur Mitte der Saison gehörig ins Straucheln. Ungewohnte Fehler, übertriebene Aggressivität, erhöhte Frustration – Verstappen hatte zu kämpfen, während Lando Norris im Rückspiegel immer größer wurde. Das Momentum verabschiedete sich Runde für Runde in Richtung McLaren, ein Umstand, der in Brasilien seinen Höhepunkt zu erreichen schien. Während Verstappen nach einem verpatzten Qualifying nur Startplatz 17 blieb, schnappte sich Norris die Pole Position.

„Das kann nur Verstappen“

Was folgte, war Formel-1-Geschichte. Ja, das Glück mit dem Rennabbruch inklusive Reifenwechsel kam zum Niederländer zurück. Dieses Glück, oder besser gesagt diese Position, um davon zu profitieren, musste sich der 62-fache Grand-Prix-Sieger aber erst erarbeiten. Wie kein Zweiter pflügte Verstappen in Interlagos durch das Feld, fand die perfekte Balance zwischen Risiko und Sicherheit, zwischen Angriff und Verwaltung. Die Belohnung: 62 Punkte Vorsprung in der Fahrer-Weltmeisterschaft bei noch drei ausstehenden Rennen, inklusive eines Sprints. Bisher gewannen erst fünf Fahrer von Startplatz 17 aus ein Rennen, seit Interlagos 2024 sind es sechs – und das in einem der herausforderndsten Grands Prix der jüngeren Formel-1-Geschichte. „Das waren die schwierigsten Bedingungen, unter denen ich jemals gefahren bin“, sagte auch Haas-Fahrer Nico Hülkenberg und fasste das entscheidende Wochenende im diesjährigen Titelkampf in einem Satz zusammen. „Es war nahezu unmöglich, fehlerfrei zu bleiben. Das kann anscheinend nur Max Verstappen.“