Als Daniel Ricciardo nach dem Großen Preis von Singapur vor die Kameras trat, hatte der ansonsten so strahlende Australier Tränen in den Augen. Der Racing-Bulls-Fahrer wusste damals schon ganz genau, dass der Grand Prix in den Straßen der asiatischen Metropole sein vorerst letzter in der Formel 1 gewesen war. „Ich bin im Reinen damit“, sagte der 35-Jährige, kurz nachdem er Max Verstappen noch einmal Schützenhilfe leistete. Mit seiner schnellsten Rennrunde „stahl“ Ricciardo WM-Verfolger Lando Norris noch einen entscheidenden Punkt. Nun kann der Brite aus eigener Kraft nicht mehr Weltmeister werden. „Vielleicht bekomme ich zu Weihnachten ja ein Geschenk von Max, sollte er die WM um einen Punkt gewinnen“, scherzte der Australier.

Dieser Einsatz zeigt den Charakter des überall beliebten Strahlemanns. Selbst in seinem letzten Rennen arbeitete Ricciardo für das Team, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Mit dem einstigen „Einserfahrer“ bei Red Bull verliert die Motorsport-Königsklasse einen einzigartigen Charakter, sozusagen die gute Seele der Rennserie. Ersetzt wird der Australier von seinem „Nachbar“ Liam Lawson. Der Neuseeländer startet ab dem kommenden Rennen in Austin für die Racing Bulls bis zum Saisonende und sitzt höchstwahrscheinlich auch 2025 neben Yuki Tsunoda im Junior Team. Der Fahrerwechsel zeigt einmal mehr, dass am Ende des Tages Leistung über allem steht – auch über etwaige Sympathien.

Ein gebrochenes Versprechen

Und seine Spitzenleistung konnte Ricciardo seit seiner Rückkehr zu den Racing Bulls nur viel zu selten zeigen. Der Plan, sich mit dominanten Auftritten für das Einserteam zu empfehlen, ging überhaupt nicht auf. Ganz im Gegenteil. Viel zu oft verlor der Routinier selbst den internen Kampf gegen Tsunoda. Teamchef Christian Horner war lange Zeit der größte Unterstützer des achtfachen GP-Siegers, schob einem früheren Fahrertausch einen Riegel vor. Wohl aufgrund der Vertragssituation von Lawson musste nun auch der Brite einlenken. Berichten zufolge hätte das neuseeländische Talent zu einem anderen Team wechseln können, sollte er in diesem Jahr keine Rennen mehr für die Bullen bestreiten. Viele sehen Lawson als absoluten Hoffnungsträger bei Red Bull. Die Gefahr, das Talent zu verlieren, dürfte also eine große Rolle gespielt haben. Nicht zu vergessen von den zusätzlichen Rennkilometern, die der 22-Jährige 2024 noch sammeln kann.

Für Motorsportberater Helmut Marko ist der Wechsel von Ricciardo zu Lawson wohl ein Etappenerfolg. Der Grazer ließ immer wieder mit Kritik am Australier aufhorchen und gilt als großer Unterstützer seines neuseeländischen Nachfolgers bei den Racing Bulls. In einem Video von „Formel1.de“ erzählte der 81-Jährige außerdem eine interessante Geschichte aus erfolgreicheren Zeiten mit Ricciardo. Demnach habe er sich mit Marko in Graz getroffen und einer Vertragsverlängerung per Handschlag zugestimmt. Kurze Zeit darauf fuhr er nach Salzburg, um auch Dietrich Mateschitz sein Ja-Wort zu geben. Dieses brach Ricciardo aber und wechselte damals völlig überraschend zu Renault – zum Unmut von Boss Mateschitz. „Der hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass man das, was man per Handschlag besiegelt, auch einhält“, erklärt Marko. „Das war der Wendepunkt in seiner Karriere“, ist der Grazer außerdem überzeugt.