Red Bull Racing stand in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderes Team für Erfolg und Dominanz in der Formel 1. Der österreichische Rennstall lehrte in der Kombination mit Ausnahmefahrer Max Verstappen die Konkurrenz das Fürchten. Keine Fehler, keine Gnade, keine Schwäche – vor allem im Vorjahr fuhren die Bullen in einer eigenen Liga, gewannen 21 von 22 Rennen und brachen Rekorde am Fließband. Viele rechneten nach dem dritten WM-Titel Verstappens mit einer Renaissance der späten 2010er-Jahre, als Mercedes in der Formel 1 einfach nicht zu schlagen war.

14 Rennen sind 2024 geschlagen und von Dominanz ist Red Bull derzeit mehr als eine Wagenlänge entfernt. In der Fahrer-Weltmeisterschaft führt der niederländische Titelverteidiger aus den eigenen Reihen zwar komfortabel mit 78 Zählern, die Konstrukteurs-WM ist in dieser Saison aber völlig offen. „In der Fahrer-WM sind wir nicht gefährdet, wenn nicht wirklich alles schiefläuft“, weiß auch Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko. „Die Konstrukteurs-Meisterschaft wird schwieriger, da müssen wir hoffen, dass bei Sergio Perez die Konstanz zurückkehrt.“ Der Mexikaner fuhr bisher viel zu oft nur hinterher, darf aber zumindest bis Jahresende noch weitermachen. Nicht die einzige Personalentscheidung, die beim Weltmeisterteam für Diskussionen sorgte.

Denn mit Adrian Newey verlässt einer der absoluten Erfolgsgaranten das Team mit Jahresende. Auch wenn bei Red Bull seit dem ersten Rennen 2005 immer darauf geachtet wurde, keinen Personenkult entstehen zu lassen, war der britische Star-Designer immer eine feste Stütze des erfolgsverwöhnten Rennstalls und erlangte durch seine Genieblitze am Reißbrett noch mehr Berühmtheit. Anders als sein britischer Landsmann Christian Horner war dem 65-Jährigen das Rampenlicht stets egal. Gegensätze zogen sich aber lange Zeit an, waren Newey und Horner über Jahre hinweg als beste Freunde nicht zu schlagen – auf und abseits der Strecke. Doch während Horner nach dem Tod von Dietrich Mateschitz einen beispiellosen Machtkampf anzettelte, zog sich Newey immer weiter zurück.

Zäsur bei Red Bull Racing

Was vor Jahren noch undenkbar schien, wurde dann Anfang Mai Realität. Newey verlässt Red Bull mit Saisonende, wird in Zukunft wohl für Aston Martin siegfähige Autos designen. Es war der Beginn einer Zäsur beim Weltmeisterteam, denn wenige Wochen später wurde auch der Abgang von Jonathan Wheatley bekannt. Der 57-jährige Sportdirektor machte sich bei Red Bull einen Namen, galt bei einem möglichen Rauswurf von Horner zu Saisonbeginn als dessen logischer Nachfolger. Nun sicherte sich Audi die Dienste Wheatleys, macht ihn zum Teamchef für das Formel-1-Projekt. „Er wollte sich verändern und in seiner Karriere weiterkommen. Das Angebot von Audi war einmalig, da konnten wir nicht mithalten. Für uns ist das sicher ein großer Verlust“, sagt Marko zum namhaften Abgang.

Der 81-Jährige spricht selbst von einer „neuen Zeitrechnung“ innerhalb des Teams, eine „Evolution“ sozusagen. „Ihre Aufgaben werden jetzt auf mehrere Personen aufgeteilt, damit werden wir die Abgänge kompensieren.“ Innerhalb des Rennstalls habe man über Jahre hinweg einen „Pool an fähigen Leuten“ aufgebaut, die genau auf so einen Moment vorbereitet wurden. „Sie sind jünger und haben dennoch schon viel Erfahrung sammeln können. Wir haben die Möglichkeiten, um das alles abzufangen.“ Gelingt das über 2025 hinaus, steht einer erfolgreichen Zukunft im Bullenstall nichts im Wege. Sollten die Verluste doch schwerwiegender sein, könnten weitere Abgänge folgen – allen voran jener von Superstar Verstappen.