Zunächst schien nach dem Ungarn-GP der Hauskrach bei McLaren um die äußerst unglückliche Teamorder-Aktion, die Oscar Piastri seinen ersten Grand Prix Sieg einbrachte, das große Thema zu sein. Doch während dort nach relativ kurzer Zeit zumindest nach außen hin wieder Ruhe einkehrte, Lando Norris bereits auf der Pressekonferenz versöhnliche Töne anschlug, meinte, die Entscheidung sei fair gewesen, da er selbst durch seinen Fehler am Start seine Siegchancen vergeben habe, sieht das bei Red Bull anders aus.
Dort droht die Lage angesichts der verlorenen Dominanz, des deutlichen Rückstands auf McLaren, zunehmender Fehler und eines ob der Gesamtsituation zunehmend frustrierten Max Verstappen immer weiter zu eskalieren. Der Weltmeister, der ja schon seit Wochen warnt, es müsse endlich etwas passieren, wurde nach seinen Auseinandersetzungen am Funk mit Renningenieur Gianpiero Lambiase, der sein Verhalten unter anderem als „kindisch“ bezeichnet hatte, richtig sauer: „Ich sage immer meine Meinung. Gewisse Leute in unserem Team müssen sich hinterfragen. Es passieren zu viele Fehler. Die Strategie verstehe ich bis jetzt nicht. Da müsst ihr beim Team nachfragen.“ Die Nachfrage, ob er mit seinem Ton am Funk nicht überzogen habe, beantwortete er mit einem deutlichen Hinweis an seine Kritiker: „Die können sich alle verpissen“ – was im englischen Originalton mit dem F-Wort noch drastischer klang.
Teamchef Christian Horner versuchte zu beruhigen: „Gianpiero und Max arbeiten seit acht Jahren zusammen. Sie werden sich intern aussprechen. Max war frustriert. Da muss man in der Hitze des Gefechts seinen Ärger auch verstehen.“ Im Prinzip sei vieles an Verstappens Kritik ja berechtigt: „Jeder im Team weiß, dass wir uns steigern müssen. Wir müssen jetzt die Daten sichten und schauen, wie wir unser Auto optimieren können.“
Auch Red-Bull-Motorsportkoordinator Helmut Marko äußert viel Verständnis für seinen Superstar. Schließlich habe das Team tatsächlich einen deutlichen Strategiefehler begangen, indem man den für das Überholen notwendigen Überschuss deutlich unterschätzt hätte, und außerdem sei halt eines zum anderen gekommen: „Es hat sich hier vor allem aufgestaut, wie gesagt, der hat sich mehr erwartet von dem Upgrade. 46 Hundertstel“ – der Rückstand auf die Pole im Qualifying – „das ist kaum messbar. Und wenn er vorne gestanden wäre, wäre das anders gewesen.“ Es sei halt auch eine neue Situation: „Max ist das nicht so gewohnt, wir sind das auch nicht so gewohnt, dass man richtig hart kämpfen muss, dass wir Gegner haben.“
Vor allem eben McLaren: „Wir müssen mehr arbeiten, es muss mehr kommen. Wir dürfen uns nicht den leichtesten Fehler erlauben, sonst sind die McLaren da. Beide Fahrer dort sind saustark und dem McLaren ist auch wurscht, welche Temperaturen, welche Strecke, welche Reifen. Der ist echt top.“ Damit sei das Papaya-Team „ein mehr als ernsthafter Gegner“. Was die eigenen Updates angehe, müsse man mit einer endgültigen Einschätzung noch etwas abwarten – das gelte auch für Verstappen: „Man muss Max sagen, dass er jetzt etwas Geduld und Verständnis zeigen muss. Denn das war erst das erste Rennen und Budapest ist nicht gerade eine der typischen Rennstrecken. Warten wir Spa ab, wie es da ausschaut.“
Was die Situation besonders brisant macht: Technisch gesehen verliert Red Bull derzeit eindeutig an Boden. Nicht nur gegen McLaren. Auch Mercedes holt mehr und mehr auf. Das Team, das Verstappen mit offenen Armen empfangen würde, sollte der sich bei Red Bull endgültig nicht mehr wohlfühlen. Der Kitt, mit dem dort die Zerwürfnisse der letzten Monate geglättet werden sollten, ist dünn. Und auch wenn die „Anpassungen“ im Vertrag mit Marko, auf die der Doktor nicht näher eingehen wollte, nach zahlreichen Interpretationen angeblich einen vorzeitigen Verstappen-Wechsel unmöglich machen sollen: Einen Fahrer, der wirklich gehen will, kann man nicht aufhalten, Verträge hin oder her ...
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Karin Sturm