In der Vergangenheit glänzte der Große Preis von China in der Formel 1 nicht mit Faninteresse. Leere Tribünen, kaum Stimmung und ein trostloses Fahrerlager prägten das Bild in Shanghai. Schon am ersten Tag der Rückkehr zeichnete sich aber ein ganz anderes Bild. Die Fans kamen am Freitag in Massen, sorgten lautstark für beste Stimmung und wurden mit einem spannenden Sprint-Shootout im Regen belohnt, in dem sich Lando Norris die Pole für den Sprint sicherte. Die Zuschauer feierten aber mit Sprechchören und Gesängen einen anderen: Zhou Guanyu.
Der Chinese bedankte sich mit einem sensationellen zehnten Platz im Shootout. Balsam für die Seele nach einem mehr als durchwachsenen Saisonstart und das ausgerechnet bei seinem ersten Heimrennen, sind doch auch die ersten WM-Punkte des Jahres alles andere als außer Reichweite. „Ich habe zwei Möglichkeiten an diesem Wochenende. Der Kampf im Mittelfeld ist aber richtig hart und wir müssen einfach die Chance nutzen, wenn sie sich bietet“, sagte der 24-Jährige Sauber-Fahrer zu seinen Chancen.
Ein Lebenstraum würde in Erfüllung gehen
Für den ruhigen Chinesen wäre es ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht, postete er vor wenigen Tagen ein Foto, das ihn als Fan auf den Tribünen von Shanghai zeigt. „20 Jahre später, Heimrennen, ich bin zurück“, schrieb er darunter und erinnerte sich an seinen ersten Besuch. „Ich war vielleicht noch zehn Kilometer entfernt von der Strecke und konnte die V10-Motoren hören. Während des Rennens musste ich dann Ohrenstöpsel tragen, trotzdem hat mich der Klang einfach begeistert.“
Vor zwei Jahren holte Sauber (damals Alfa Romeo) das damalige Formel-2-Talent in die Königsklasse. Neben seinem fahrerischen Können hat dabei auch seine Herkunft eine Rolle gespielt, ist China nach wie vor der größte Automarkt und neben den USA am interessantesten für die Formel 1 als Rennserie. Außerdem soll das Talent Sponsoren in Millionenhöhe mitgebracht haben. Corona machte dem GP in Shanghai dann aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung, zuletzt fuhren Max Verstappen und Co 2019 in der chinesischen Metropole. „Ich werde sicher jede Menge Gänsehaut bekommen, wenn ich als erster Chinese bei einem Heimrennen vor diesen Fans fahre“, gesteht Zhou, dessen Weg in den Motorsport kurvenreich war. Als Zwölfjähriger verließ er seine Heimat in Richtung England für den Traum vom Motorsport – ganz ohne Sprachkenntnisse. „Die ersten Wörter, die ich dort lernte, waren Schimpfwörter. Aber zum Glück kamen viele neue hinzu.“
Auch aufgrund der teilweise schwierigen Zeiten in England übermannten ihn die Gefühle, als 2021 der Anruf von Alfa Romeo kam. „Ich habe viel durchgemacht und als dann die Bestätigung kam, dass ich einen Sitz in der Formel 1 bekomme, habe ich einfach angefangen zu weinen. Das war ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist.“ Trotz der Heim-Euphorie droht dieser Traum nach zwei Jahren in der Motorsport-Königsklasse zu platzen, ist Zhou doch noch ohne Punkt und ohne Vertrag für 2025. Schreibt der Chinese ausgerechnet beim Heimrennen an, würden wohl nicht nur die Fans in Shanghai jubeln.