Insgesamt 14 Kurven zählt die Strecke im Albert Park zu Melbourne, wo Jahr für Jahr der Große Preis von Australien ausgetragen wird. Mindestens genauso viele Wendungen nahm die Causa Christian Horner in den vergangenen Wochen innerhalb des Weltmeisterteams von Red Bull Racing. Nach Vorwürfen einer engen Mitarbeiterin wurde der Brite in einer internen Untersuchung entlastet, besagte Frau danach sogar entlassen und im Zuge dessen entbrannte ein interner Machtkampf, den die Formel 1 und wohl auch der ganze Red-Bull-Konzern noch nicht gesehen hatte.
Beim Großen Preis von Saudi-Arabien vor zwei Wochen kam es dann zum nächsten Eklat. Demnach wollte Motorsportberater Helmut Marko, seinerseits namhaftester Vertreter des deutschsprachigen RB-Flügels, einer Suspendierung mit einem Rücktritt zuvorkommen. Nach intensiven Gesprächen mit Geschäftsführer Oliver Mintzlaff schien sich der Wind zu drehen. Marko blieb, auch aufgrund der deutlichen Rückendeckung von Weltmeister Max Verstappen und plötzlich sollte Teamchef Horner vor dem Aus stehen. Laut einigen Medienberichten hatte sich sein engster Verbündeter, der thailändische Mehrheitseigentümer Chalerm Yoovidhya, von ihm abgewandt. Noch vor dem Australien-GP sollte der Rauswurf öffentlich gemacht werden, hieß es.
Horner vor Beförderung?
Von einem etwaigen Ende bei Red Bull scheint Horner nun aber kilometerweit entfernt zu sein. Ganz im Gegenteil. Anscheinend will die thailändische Mehrheit den Machthunger des Briten bereitwillig stillen und ihn befördern – nicht nur innerhalb des Rennstalls. Medienberichten zufolge könnte Horner als eine Art „Super-CEO“ dem jetzigen Geschäftsführer-Trio Mintzlaff, Franz Watzlawick und Alexander Kirchmayr vorstehen und so zumindest operativ zum mächtigsten Mann im Bullenstall aufsteigen. Für den 50-Jährigen wohl die Erfüllung aller Träume, wollte Horner von Anfang an immer mehr sein, als nur Angestellter und Teamchef. Hinter den Überlegungen steht wohl ein rein finanzielles Interesse. Der Yoovidhya-Clan könnte den Standort in Österreich aufgeben und das komplette Geschäft nach Thailand holen, um Steuer schonender zu agieren.
Damit hätte das von Dietrich Mateschitz aufgebaute Erfolgsmodell „Fuschl entscheidet, Thailand verdient“ endgültig ausgedient. Was das für das äußerst erfolgreiche Formel-1-Team bedeuten würde, steht noch in den Sternen. Ein Wechsel von Dreifach-Weltmeister Max Verstappen scheint aber nicht mehr nur ein Schreckgespenst zu sein, sondern könnte tatsächlich irgendwann Realität werden. Seine enge Verbundenheit zu Motorsportberater Marko ist kein Geheimnis, die Abneigung seines Umfelds gegenüber Horner ebenfalls nicht. Und in Australien machte der Teamchef einmal mehr klar, dass niemand größer ist als das Team – außer er selbst.
Alles in Ordnung
Denn anscheinend wäre der (noch) starke Mann an der Kommandobrücke gut und gerne bereit, seinen Goldjungen aus den Niederlanden ziehen zu lassen, um an der eigenen Macht festzuhalten. „Keine Einzelperson ist größer als das Team. Man kann niemanden zwingen, irgendwo zu bleiben, nur weil er einen Vertrag hat“, meinte Horner, um aber auch festzuhalten: „Mit Max ist absolut alles in Ordnung. Er arbeitet gut mit dem Team zusammen. Es gibt keine Spannungen, keinen Stress, und man kann sehen, wie entspannt er ist.“
Wie entspannt es derzeit im Bullenstall tatsächlich zugeht, wissen natürlich nur die wenigsten. Der Niederländer betonte in Australien, dass er nicht viel von einem Wechsel hält. „Ich habe die Absicht, bis zum Ende hier zu bleiben, weil das eine tolle Geschichte wäre. Ich bin glücklich im Team“, meinte der 27-Jährige zu seinem bis 2028 laufenden Vertrag. Wirklich glücklich scheint mit der aktuellen Situation aber niemand zu sein, weshalb die nächste Wendung im Machtkampf wohl nur eine Frage der Zeit ist.