Die defekte Abdeckung eines Wasserschachts hat der Formel 1 mitten auf dem schillernden Las Vegas Boulevard einen XXL-Imageschaden beschert. Die lang erwartete Premiere der Motorsport-Königsklasse in der Glücksspielmetropole wurde am Freitag zur Blamage, ein Materialschaden auf dem Asphalt vor der Prunkkulisse des Luxushotels Bellagio sorgte nach acht Minuten Fahrtzeit zum Abbruch des Auftakttrainings. Das zweite Training endete nach Verschiebungen erst um 4.00 Uhr Ortszeit.
„Das gibt es nur im Amerika“, sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei ServusTV mit Blick auf den bizarren Start ins vorletzte Rennwochenende der Saison. Auf der ersten Befahrung der neuen Strecke war Carlos Sainz nur wenige Minuten nach dem Start mit seinem Ferrari auf dem sogenannten Strip stehen geblieben. Der Bolide des Spaniers fuhr bei rund 320 km/h über ein Hindernis, knallte heftig auf den Asphalt und rollte defekt aus. „Erst ist die Umrandung gebrochen, dann der komplette Deckel“, erklärte Marko.
Auch Alpine hatte beim Auto von Esteban Ocon einen Totalschaden zu beheben. Bei Sainz mussten mehrere Teile gewechselt werden, der Spanier kassierte dem Reglement zufolge trotzdem eine Strafe von zehn Startplätzen. Die Stewards betonten, dass sie nach dem Ferrari-Antrag gerne eine Ausnahme gewährt hätten, die Regeln ein solches Vorgehen aber nicht zulassen würden. Der Schaden an Chassis und Antrieb werde zudem ein „Vermögen kosten“, schimpfte Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur. „Das ist für die Formel 1 heute einfach inakzeptabel.“
Sainz war entrüstet über eine Strafe, für ein Vergehen, „für das ich nichts kann und für das das Team nichts kann. Man kann sich vorstellen, wie enttäuscht ich bin. Was mir heute widerfahren ist, ist ein gutes Beispiel dafür, dass unser Sport auf so viele Arten verbessert werden kann.“
Zweites Training startete um 2.30 Uhr
Das zweite Training wurde nach Kontrolle der etwa 140 Kanaldeckel auf der Strecke mit mehr als zweistündiger Verspätung um 2.30 Uhr Ortszeit gestartet - aus logistischen Gründen ohne Zuschauer. Die zweite Session wurde um 30 Minuten verlängert auf insgesamt 1:30 Stunden, gefahren wurde mitten in der Nacht in der Wüste Nevadas bei Temperaturen von kühlen 13 Grad Celsius. „Die Stadt hat den Nimbus, dass sie nie schläft. Das passt da herrlich hinein“, sagte Marko. Der 80-jährige Steirer ergänzte in Bezug auf die außergewöhnliche Belastung der Piloten. „Es ist ein 24-Stunden-Tag. Da ist es schon schwierig, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Man hat schon ein mulmiges Gefühl.“
Die Bestzeit im zweiten Training stellte Ferrari-Pilot Charles Leclerc auf, der in 1:35,265 Min. mehr als eine halbe Sekunde schneller war als Teamkollege Sainz, dessen Bolide wieder fahrtüchtig war. Dritter wurde Fernando Alonso im Aston Martin, Weltmeister Max Verstappen musste sich im Red Bull mit fast einer Sekunde Rückstand mit Platz sechs begnügen.
Ein verärgerter Wolff
Der Grand Prix ist am Samstag um 22.00 Uhr Ortszeit (Sonntag, 7.00 Uhr MEZ/live ServusTV und Sky) angesetzt. Fragen nach einem Imageschaden für die Motorsport-Königsklasse verärgerten wiederum Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Wie können Sie es überhaupt wagen, ein Event schlechtzureden, das neue Maßstäbe setzt“, schimpfte der Wiener in Richtung eines Reporters, der ein „blaues Auge“ für die Formel 1 in den Raum gestellt hatte. „Das war ein Kanaldeckel. Das ist schon mal passiert, das ist gar nichts.“
Zumindest sportlich misslang der Start in der Glücksspielmetropole, die Formel 1 hatte ein unvergleichliches Spektakel angekündigt. Innerhalb von 378 Tagen hatten fast 2.900 Arbeiter den Kurs aus dem Boden gestampft, der deutlich mehr als eine Milliarde Euro an Einnahmen generieren soll. Bis zu 25 Zentimeter dicke Schichten alten Asphalts mussten dabei abgetragen und mit frischem Asphalt aufgefüllt werden. Der Grand Prix in Las Vegas ist das Prestigeprojekt des Rechteinhabers Liberty Media, mit dem man auf dem US-Markt weiter wachsen will.