Lange war es ungewiss, ob die DTM-Saison heuer über die Bühne gehen kann. An diesem Wochenende ist es in Spa so weit. Wie fühlt es sich an?
PHILIPP ENG: Ich bin seit 20 Jahren im Motorsportbereich unterwegs und stehe ständig unter Leistungsdruck. Das hat mir, weil ich es nicht anders gewöhnt war, gefehlt. Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich auf den Moment freue, wenn bei der Startaufstellung die Tür zugeht. Dieser Adrenalinschub ist einzigartig und macht süchtig.
Belgien ist eines der Länder, das am stärksten von Covid-19 betroffen ist. Wie geht man damit als Rennfahrer um?
Es liegt ein detailliertes Sicherheitskonzept der DTM sowie von BMW vor. Es gibt unterschiedliche Bereiche, an denen wir uns aufhalten dürfen. Es wurde definiert, welche Maske man wo aufsetzen muss. Enorm wichtig ist es, den Abstand einzuhalten. Aufgrund der Umstände hab ich mich entschlossen, mit dem Auto nach Belgien zu reisen. Der Motorsport ist generell ein großer Vorreiter, allein was die Technik anbelangt. Alle Meetings laufen über ein Intercom-System mit Kopfhörern, wo immer nur einer zu Wort kommt. Somit fällt diese Nähe weg. Ich persönlich finde es angenehm, nicht mehr jedem die Hand geben zu müssen. Ich bin vorsichtig, fühle mich aber extrem gut aufgehoben.
Corona hat alles durcheinandergewirbelt. Welche Auswirkungen hatte das auf die Testfahrten?
Die Testphasen sind noch immer eingeschränkt. Im Dezember und Februar hat es Herstellertests für die Entwicklung des Autos gegeben. Am Nürburgring konnten wir testen. Wir waren ständig im Austausch mit den Ingenieuren, ich fühle mich besser vorbereitet als früher.
Auf welche Dinge haben Sie während des Shutdowns geachtet?
Ich habe mein Fitnessprogramm durchgezogen. Da es früh klar war, dass ich mit demselben Team zusammenarbeite, ist alles nahtlos übergegangen. Die Analyse hat im alten Jahr begonnen und so waren wir schnell in der Position, an Dingen zu arbeiten, die 2019 nicht so hingehaut haben.
Motorsportler sind absolute Perfektionisten. Was kann man in einer Rennwoche noch herausholen?
Das Allerwichtigste ist Kommunikation. Mein Renn-Ingenieur entscheidet, wie gut mein Auto ist. Er kann es nur so gut einstellen, wenn ich es ihm verständlich erklären kann, er es versteht und er ohne Empfindlichkeiten an die Sache herangeht. Auf solch einem hochprofessionellen Level gibt es keinen Platz für Emotionen. Für mich steht und fällt die Performance mit der richtigen oder falschen Kommunikation.
Was ist heuer für euch neu?
Eine große Regeländerung gibt es beim DRS. Den klappbaren Heckflügel darf man bei 50 Prozent der Rundenanzahl verwenden. Das DRS-Fenster von drei Sekunden ist gefallen. DRS darf jeder aktivieren, außer der Leader. Solofluchten wird es eher keine geben. Für die Spannung ist es genial. Dasselbe gilt für das Push-to-pass-System. Das hat mehr Wirkung. Der P2P-Knopf steigert die Motorleistung für fünf Sekunden pro Runde nicht mehr um 30, sondern um 60 PS. Das darf man in jeder Runde benutzen. Das DRS in Kombination mit Push-to-pass erleichtert das Überholen und darf im Qualifying verwendet werden. Der Raum für Fehler wird dadurch noch größer.
Gibt es einen rot-weiß-roten Kampf zwischen ihnen, Lucas Auer und Ferdinand Habsburg?
Gar nicht. Jeder muss seinen Job gut machen. Zu schlagen gilt es den, der vorne ist. Aber eins ist klar: Das Team Austria muss man auf der Rechnung haben.
Wie stehen Sie persönlich zu Geisterrennen?
Es geht leider nicht anders. Die Fans bei uns sind immer der Wahnsinn. Ich mag es, wenn sie so nahe dabei sind, sehr schade.
Sie haben ja zu Hause einen Simulator, oder?
Genau, den kann sich jeder kaufen. Er kostet komplett an die 9000 Euro. Da habe ich ein Top-Aluminiumgerüst, Lenkrad, Pedale, PC und Monitor und los geht’s. Das Sim-Racing habe ich echt hardcore betrieben.
Was sagen Sie zum möglichen DTM-Aus nächste Saison?
Schwierige Frage. Ich versuche, nicht daran zu denken. Ich kann mit meinen Kollegen nur eine tolle Show bieten, sodass sich die DTM 2020 sehr gut verkauft.
Was macht die Faszination DTM für Sie persönlich aus?
Es sind sensationelle Rennmaschinen, teils das, was am nächsten an F1-Boliden herankommt. Die Plattform DTM ist cool und der Fan ist normalerweise mittendrin statt nur dabei.