Der Herr Chauffeur hat sein Hand- und Fußwerk gelernt. Karl Wendlinger ist einer der erfolgreichsten Piloten, die Österreich je hervorbrachte. Jetzt sitzt er am Steuer eines 510 PS starken AMG Mercedes GT3 und ist bereit für eine Reise in eine Welt, die nur wenige Menschen verstehen. Wie fühlt es sich an, in einem Rennwagen auf einer der modernsten Strecken der Welt zu rasen? Die eine oder andere Runde mit dem Könner soll Klarheit bringen.
Die ersten Eindrücke am heißen Sitz neben Karl dem Großen: Du bist festgezurrt, aber frei. Der Nackenschutz HANS sorgt dafür, dass du kaum nach links oder rechts schauen kannst und stattdessen diesen einen Satz auf der Eintrittskarte im Gedanken vor dir siehst: Motorsport is dangerous. In jeder Kurve fällt dir eine Geschichte ein, von dem einen oder anderen Rennfahrer, der hier in Sekundenbruchteilen vom Fahrer zum „Flieger“ mutierte. Dir fällt ein, wie viel Respekt etwa ein Sebastian Vettel vor der ehemaligen Bosch-Kurve hat.
Tagträume, aus denen du erwachst. Es ist zu laut, zu eng, zu heiß. Dein Blick fällt auf die magischen Hände am Lenkrad nebenan. Gute Rennfahrer fahren mit ruhiger Hand, keine Bewegung ist einen Millimeter weiter als nötig. Der stille Wendlinger, der einst in der Formel 3 einen gewissen Michael Schumacher in der Meisterschaft besiegte und um den das Land nach einem furchtbaren Crash in Monaco 1994 wochenlang bangte, hat nach der Formel 1 noch eine tolle Karriere hingelegt – Sportwagen-WM-Titel inklusive. Auch in der DTM war er unterwegs, bei Audi. Oft war er zuletzt bei den Rennen, schon 2016 hat er erkannt, wie Lucas Auer, der wie er aus Kufstein kommt, immer besser geworden ist – auch wenn das wahre Potenzial da erst von den Insidern erkannt wurde.
Wendlinger sagt: „Die Regeländerungen tun der DTM gut, der Fahrer zählt wieder mehr.“ Jetzt müssen noch Wege gefunden werden, damit mehr überholt werden kann, dass mehr Spiegel im Duell Mann gegen Mann fliegen. Seufzend sieht er später, als wir das DTM-Rennen gemeinsam anschauen, wie knapp das Feld zusammenliegt und wie schwer man doch nach vor kommt. „Aber vieles ist jetzt schon sehr gut in dieser Serie“, weiß Karl.
Er ist nah dran an den Fans, als Botschafter von AMG Mercedes fährt er bei Events einige der tollsten Rennwagen der Welt – zuletzt mit dem Indy-Car-Mercedes in Goodwood. Die Leute, die neben ihm sitzen dürfen, eint eines: „Sie sind sehr oft beeindruckt, mit welchem Speed es durch die Kurven geht, wie man bremst.“ Und erst recht vom Gasgeben.
Gerald Enzinger