Pit Beirers Augen strahlen immer, wenn er über seinen Beruf spricht, über den Versuch, KTM an die Spitze der Motorrad-Welt zu bringen. Nicht selbstverständlich, schließlich ist es genau 20 Jahre her, dass Beirer, erfolgreicher Motocross-Pilot, nach einem Sturz am Pfingstsonntag 2003 in Assen querschnittgelähmt ist. Doch seinen positiven Spirit, seinen Drang zu bewegen, hat dieser Schicksalsschlag nicht gebrochen. Und so ist Beirer Kopf des Motor(rad)sports der Marke aus Mattighofen und hat diese auch in die höchste Klasse, die MotoGP geführt. Dort kämpft man nun darum, auch um den WM-Titel mitzufahren.
Die kommende Woche ist für die „Orangen“ aus Oberösterreich sozusagen Hochamt, das Heimrennen am Spielberg, wie es Beirer nennt. Die gesamte Firma ist quasi auf Betriebsausflug in der Steiermark, eine ganze Tribüne „gehört“ KTM, sie alle wollen ihre Piloten siegen sehen. Eine schwierige Aufgabe, denn der Red Bull Ring ist „traditionell“ Ducati-Land. Die Italiener fuhren im Aichfeld schon Erfolge ein, als ihre Vormachtstellung noch nicht derart einzementiert war wie dieses Jahr, in dem ein dritter Platz durch KTM-Fahrer Brad Binder wie zuletzt in Silverstone schon fast wie ein Sieg zu feiern ist.
„Es ist ganz einfach: Wenn Yamaha einen Schritt nach vorne macht, dann ist einer auf dem Podest. Wenn Ducati ein Schritt gelingt, dann sind gleich acht Maschinen schnell – das macht es schon hart, in die zweite Qualifying-Runde mit nur zehn Fahrern zu kommen“, sagt Beirer, der Bayer. Anders ausgedrückt: „Wenn Brad Binder aufs Podest fährt, dann sind sechs Ducatis hinter ihm und zwei vor ihm. Und jetzt kommt auch noch Aprilia auf.“ Das heißt im Umkehrschluss: Die Zeiten, in denen man sich in der MotoGP auf Erreichtem ausruhen konnte, sind vorbei. „Wenn du stehen bleibst, bist du in zwei, drei Monaten weg.“
Sommerpause? Keine Spur
Dementsprechend habe man in der Rennabteilung alles gehabt, nur keine Sommerpause. Es ist ein dauerndes Tüfteln am Motorrad, auch wenn die KTM dieses Jahr wieder ein Stück besser wurde. „In Assen waren wir nur zwei, drei Sekunden hinter dem Sieger, da fehlt dann nur noch ein Schritt. Und wir haben auch an der Schwäche des Vorjahres gearbeitet, dem Qualifying“, analysiert Beirer.
Die MotoGP habe sich der Formel 1 angenähert, auch bei KTM arbeitet man in der Zwischenzeit mit Universitäten zusammen. Die Kunst: „Es geht darum, das Ding gut zu drehen, also schnell um die Kurve zu bekommen, ohne auf der Geraden an Speed zu verlieren.“ Man baue an einer Aerodynamik, die beim Kurvenfahren hilft. In der Zwischenzeit wird jede Kurve in Millisekunden zerlegt, um Schwächen zu finden. Alles wird optimiert, bis hin zum idealen Moment, in dem der Fahrer das Knie aus der Verkleidung nimmt, um so für zusätzlichen Abtrieb zu sorgen. „Das Rennen entscheidet sich auf der Bremse und beim Beschleunigen. Und genau da werden wir weitersuchen, um Millisekunde um Millisekunde zu finden.“
Bei der Suche nach den Details „behilflich“ war und ist seit einiger Zeit auch das Formel-1-Team von Red Bull. „Wir haben gelernt aus der Zusammenarbeit, auch wenn es den Spaß noch teurer gemacht hat. Aber es macht einen Unterschied, wenn 100 Leute an der Aerodynamik tüfteln“, sagt Beirer, der ergänzt: „Wir hätten uns als Serie das alles auch sparen können. So haben wir alle ein paar Millionen mehr ausgegeben. Und wir müssen gegensteuern, damit die MotoGP nicht zur Formationsfahrt wird.“
"Heroes entstehen durch Storys"
Womit wir beim Thema sind: Ist die Serie nach dem Abgang von Valentino Rossi und der Schwäche von Marc Marquez in der Krise? „Heroes kann man sich nicht wünschen oder backen, die entstehen durch Storys. Valentino hat den Sport geprägt, unter den nächsten schlummert aber sicher ein Held, man muss ihnen die Zeit lassen. Es liegt an uns, aus den jungen Fahrern die nächsten Heroes zu machen“, sagt Beirer, der sich dann aber korrigiert: „Wir haben ja auch einen im Team, der 366,2 km/h gefahren ist. Die Dinger mit 360 zu bewegen, mit abwechselnd Vorderrad und Hinterrad in der Luft, das ist Wahnsinn. Das sind doch alle wirkliche Helden!“ Was fehlt, sei im Moment die Würze, die es braucht: „Eine Feindschaft, weil sich zwei fast an die Gurgel gehen, sich berühren. Wir wünschen uns ja alle einen neuen Valentino.“
Diese Woche wird es den noch nicht geben. Aber in Spielberg sind ohnehin die KTM-Piloten Brad Binder und Jack Miller die Helden. Und geht es nach Beirer, werden sie auch Geschichten liefern: „Ich kennen den Charakter der Strecke. Wir sind echt gut vorbereitet“, sagt er und schließt mit Blick auf die Begeisterung auf der KTM-Tribüne ab: „Für uns soll es nicht einfach nur ein Betriebsausflug werden. Wir wollen angreifen und um den Sieg fahren.“