Sie kennen sein Gesicht. Unterschiedliche Rollen, einzigartige Charaktere, er spielt in der A-Liga Hollywoods. In der Comic-Verfilmung von "X-Men" gab er den Magneto, in "Shame" einen Geschäftsmann in einer Sexkrise, in "Inglourious Basterds" von Kult-Regisseur Quentin Tarantino spielte er einen britischen Offizier, im Prequel zur Alien-Saga "Promotheus" schenkte er seiner Rolle als Android ein verstörendes Eigenleben. Im Netflix-Werk von David Fincher "The Killer" kommt er im November auf die Bildschirme, mit Meister-Regisseur Taika Waititi drehte er "The next Goal wins" (Start ebenfalls ab November).

In voller Action: Porsche vom Fassbender-Team
In voller Action: Porsche vom Fassbender-Team © (c) Steffen Heise

Aber es gibt noch einen anderen Michael Fassbender, der sich aus Hollywood ausklinkte. Er drehte mit Porsche eine Youtube-Serie über seinen mühsamen Weg vom Rookie zum Rennfahrer, mit dem Höhepunkt der Teilnahme an den 24 Stunden von Le Mans. 2022 gab er sein Debüt, der Weg war begleitet von oftmaligem Scheitern, von verletzlichen Momenten, in denen man Fassbender unkontrollierbar Fluchen hört. Momente, in denen er nahe am Verzweifeln scheint.

Die Wunden lecken

Im Interview mit der Kleinen Zeitung sagte er, er habe im letzten Jahr "Wochen gebraucht, um die Wunden zu lecken", die er im letzten Jahr beim Rennen der 24 Stunden von Le Mans erlitten habe.

Aber er ist wieder hier. Wie so viele Hollywoodstars ist er dem Rennsport verfallen. Paul Newman, Gene Hackman, "Mr. Bean" Rowan Atkinson, Steve McQueen, James Dean – Hollywood auf Speed.

Im 24-Stunden-Rennen von Le Mans 2023 ist ein anderer Schauspieler, der in Le Mans schon erfolgreich Rennen gefahren ist, Fassbenders Teamchef. Patrick Dempsey (mit der Serie "Grey's Anatomy" wurde er berühmt) brachte Fassbender nach einem Gespräch bei einem zufälligen Treffen auf einem Flughafen in den Rennsportzirkus. Das war vor gut fünf Jahren, der deutschstämmige Fassebender kam ins Porsche-Racer-Programm. 

Das gesamte Porsche-Team auf der Jagd nach Siegen bei den 24 Stunden von Le Mans
Das gesamte Porsche-Team auf der Jagd nach Siegen bei den 24 Stunden von Le Mans © Porsche

Dempsey betont im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: "Man darf nie vergessen: Er ist da unter Rennfahrern, die seit ihrem fünften Lebensjahr nichts anderes machen. Es ist unglaublich, dass er überhaupt hier ist und dem Ganzen nachgeht." Und: "Es ist der Weg, nicht unbedingt das Ziel, das dich am stärksten als Individuum wachsen lässt. Daran, dass Michael Fassbender auf dem Weg ist, sieht man, dass er einen großartigen Job gemacht hat. Es ist echt hart draußen auf der Strecke zu sein, seine Verletzlichkeit zu zeigen und zu offenbaren, dass du ein Anfänger und ein Lernender auf dieser Bühne bist."

Süßer Wahnsinn

Die Bühne heißt Le Mans. Süßer Wahnsinn zwischen öffentlichen Straßen und Rennstrecke. 350.000 Menschen sind hier, in der Nacht sieht man glühende Bremsscheiben wie Glühwürmchen durch die Nacht fliegen. Unterschiedliche Fahrzeugkonzepte gehen an den Start, mit aberwitzigen Geschwindigkeitsunterschieden, jede Runde ist ein Tanz auf der Rasierklinge. Porsche will zu seinem 75-Jahr-Jubiläum bei der einhundertsten Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans gewinnen und hat, neben Fassbender und Co., drei Topteams aufgestellt.

Porsche-Penske-Team: Die Schnellsten im Kampf mit Ferrari und Toyota. Das Ziel: Zum 75-Jahr-Jubiläum von Porsche die 100ste Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans zu gewinnen
Porsche-Penske-Team: Die Schnellsten im Kampf mit Ferrari und Toyota. Das Ziel: Zum 75-Jahr-Jubiläum von Porsche die 100ste Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans zu gewinnen © Porsche

Besessen vom Auto

Profirennfahrer treffen auf Amateurrennfahrer, die sich ihren Lebenstraum erfüllt haben, so wie Fassbender. "Ich war schon immer von Autos besessen", gestand er. "Das erste Mal, als ich auf einer Kart-Strecke war, habe ich gefühlt: Das ist richtig für mich. Ich war nicht wirklich gut in irgendeinem Sport, aber im Kart habe ich gespürt, was ich wirklich mag." Für Fassbender sind die Momente im Rennauto besondere, meditative: "Das Wichtigste ist, nichts zu denken, im Jetzt zu sein." Der Hollywoodstar, der in Le Mans gemeinsam mit dem österreichischen Profi Richard Lietz an den Start geht, gewährt tiefe Einblicke in sein Seelenleben. 

Herr Fassbender, wie hat es Ihnen am Großglockner gefallen? 
MICHAEL FASSBENDER: Was?

Sie waren vor zwei Wochen bei Ferdinand Porsche aus der Porsche-Dynastie, der den legendären "Mankeiwirt" gekauft hat und dort eine Erlebniswelt für das Kulturgut Auto errichtet hat. 
FASSBENDER: Oh, yes! The Groẞglockner – es ist einfach großartig, was er da macht. Er ist ein so enthusiastischer Mensch, und was er da aus der Geschichte des Autos und der Renngeschichte aufbaut – einfach toll. Es ist ein so wunderschöner Platz dort, und die wunderschönen Autos! 

Sie sind ein Hollywoodstar, der einen bewussten Bruch in seiner Karriere eingegangen ist, um Rennfahrer zu werden: Was hat Sie dazu getrieben? War es das Adrenalin, war es der Reiz der Geschwindigkeit, war es der sogenannte Flow, von dem Rennfahrer sprechen, wenn sie auf einer perfekten Runde unterwegs sind?
FASSBENDER: Ich glaube, es ist der Flow. Dort zu fahren, an nichts anderes zu denken, einfach nur präsent zu sein im Jetzt. Und genau das geschieht, wenn du so extrem fokussiert bist. Dein Verstand wundert sich nicht darüber, dass du völlig im Jetzt bist, ohne an etwas anderes zu denken. Weil die Geschwindigkeit da ist, weil du fokussiert sein musst, weil alle möglichen Kräfte auf dich einwirken. Es geht um die Fähigkeit, in diesen Momenten an nichts zu denken, in diesen Status zu kommen, in dem du dir nur erlaubst im Geist einfach wach und achtsam zu sein – sonst nichts. 

Wenn Sie jetzt im Auto sitzen: Fühlen Sie eine Art von Furcht oder eher eine Art von Druck?
FASSBENDER: Ich glaube, all diese Gefühle sind präsent, in einer Art von Schmetterlingen, die du im Bau hast, wenn du Rennen fährst. Druck ist ein interessantes Phänomen: Es kommt eher von dir selbst als von anderen. Ich habe dazu tendiert, mir selbst Druck zu machen, jetzt versuche ich das zu vermeiden. Ich versuche, es einfach geschehen zu lassen. Von Kurve zu Kurve. Und dem Verstand nicht zu erlauben, sich zu sehr einzumischen. Im Vorjahr hatte ich negative Gedanken im Kopf, da kommst du in eine Negativspirale. Das vermeide ich. 

Was haben Sie durch das Rennfahren gelernt?
FASSBENDER: Es geht darum, nicht neben dir zu sitzen und dich selbst zu richten. Das bringt dich nicht weiter. Das letzte Jahr habe ich meine Wunden nach dem Rennen noch ein paar Wochen geleckt, wie man sagt – es hat mich wochenlang beschäftigt. Das war der Druck, den ich mir selbst auferlegt habe. Damals war es total herausfordernd. Heute bin ich einfach glücklich, dass ich diese Erfahrung im Leben gemacht habe. Und wieder hier bin. Nur das zählt. 

Sie haben ein großes Risiko auf sich genommen: Vom Hollywoodstar, den man bewundert, zum Rennfahr-Rookie. Sie haben daraus eine eigene Video-Serie gemacht, in der schonungslos gezeigt wurde, wie verletzlich Sie sind, wie schwierig der Weg ins Rennauto war. War es das alles wert?
FASSBENDER: Ich habe es nicht wirklich als Risiko gesehen. Wir wussten, dass wir für die Serie ehrlich sein mussten, wir wollten alles schonungslos zeigen. Es war immer eine Kamera in meinem Gesicht, wenn mal wieder etwas schiefgegangen ist. Das ist, was das Drama ist. Aber es ist, was es ist.

Von Gene Hackman, Paul Newman über Tim Allen bis zu Ihrem Teamchef Patrick Dempsey, der in Le Mans schon erfolgreich war: Was fasziniert Hollywood, sich ins Auto zu setzen und selbst Rennen zu fahren?
FASSBENDER: Ich kann das nicht wirklich beantworten. Für mich kann ich nur sagen: Ich habe Autos immer geliebt, ich war besessen. Ich war in allen möglichen Sportarten Mittelmaß. Als ich mich das erste Mal in ein Gokart gesetzt habe, hat es sich richtig angefühlt. Vielleicht ist es die Klarheit, die du im Auto spürst. Nur du und das Auto.

Racer oder Schauspieler – wenn Sie wählen müssten: Für welchen Weg würden Sie sich entscheiden?
FASSBENDER: In der Schauspielerei bin ich am meisten zu Hause. Ich mache das seit meinem 17. Lebensjahr, also rund dreißig Jahre. Wenn ich das Film-Set betrete, weiß jeder Muskel, was zu tun ist, es ist irgendwie meine Natur geworden. Autorennen sind neu für mich. Ich habe die Reise mit Porsche vor fünf Jahren begonnen. Mein erster Kindheitstraum war es, Rennfahrer zu werden, klar. Es war mein erster Traum. Aber Schauspieler zu sein, das liebe ich! Ich bin glücklich und dankbar für diese Karriere.