Die Formel E durchlebt gerade ihr verflixtes siebtes Jahr. Einst als Zukunft des Motorsports gepriesen, laufen nun die Hersteller davon. Nach Audi und BMW will auch Weltmeister Mercedes nicht mehr. Ab 2022 ist Schluss. Porsche verbleibt als letztes deutsches Team, könnte bei einem möglichen Einstieg als Motorenlieferant in der Formel 1 aber ebenso aussteigen.
Seit mittlerweile sieben Jahren donnern futuristische Rennwagen von 12 Herstellern mit über 300 PS über den Asphalt. Für die Saison 2023 soll die Leistung gar um 100 Kilowatt auf 350 (476 PS) im Qualifying und 300 (408 PS) im Rennen erhöht werden. Anders als in der Formel 1 werden aber nur alle vier Jahre neue Fahrzeug-Generationen präsentiert. Neuerungen wie diese sind teuer - ein Grund für Mercedes, das elektrifizierende "Abenteuer" zu beenden.
Mercedes-Boss Toto Wolff zeigte sich stolz ob der Leistung seines Teams. Nyck de Vries sicherte sich beim Finale in Berlin die WM-Krone und gemeinsam mit Stoffel Vandoorne auch die Teamwertung. Nur drei Tage später kam die nicht ganz unerwartete Nachricht, Mercedes werde sich neu ausrichten und "die Ressourcen zugunsten dieses schnelleren Hochfahrens der Elektrifizierung" umverteilen.
Konkret will man sich auf den Automarkt konzentrieren und die gesamte Mercedes-Flotte bis 2030 elektrifizieren. Schon 2025 soll jeder zweite Neuwagen mit Strom betrieben werden. Die Erkenntnisse aus der Formel E sollen in die Entwicklung miteinfließen. Bis 2025 bedarf es drei neuer Elektro-Modelle für den Stuttgarter Automobilhersteller.
"Es gibt Meisterschaften, die noch weniger Hersteller haben"
Formel-E-Chef Jamie Reigle äußerte sich in einem Videogespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zum Mercedes-Ausstieg: "Es schmerzt uns, dass sie gehen, aber wir waren froh, dass sie dabei waren, es waren tolle Partner. Es gibt Meisterschaften, die noch weniger Hersteller haben."
Das mag stimmen, doch mit den deutschen Herstellern verabschieden sich Pioniere und Weltmeister - nicht nur in der Rennserie selbst, sondern im Automobilsektor und in der Elektro-Technologie. Der Serie droht, auf drei Viertel ihrer Größe zusammenzuschrumpfen.
Dabei gibt es hier - anders als in der Formel 1 - noch so etwas wie Spannung. Ganze 18 der 24 Fahrer hatten vor dem entscheidenden Rennwochenende noch die Chance auf den Weltmeistertitel.
Zukunft der Serie bleibt offen
Für die Rennserie wird letztlich entscheidend sein, wie die dritte Generation der Formel-E-Boliden ab 2023 anläuft. Die Leistungssteigerung scheint vielversprechend, gerade für die Fans. Mit den Formel-1-Teams McLaren und Aston Martin könnten zudem zwei neue Zugpferde einsteigen. Genauso entscheidend ist das Fahrerfeld. Premierensieger und Audi-Pilot Luca di Grassi wird der Serie treu bleiben und bald seinen neuen Arbeitgeber bekanntgeben. Wohin es die beiden Mercedes-Piloten verschlagen wird, ist noch offen.
Jaguar Teamchef James Barclay sieht die Formel E jedenfalls auf einem guten Weg: "Wir bringen den E-Rennsport in die Städte und das ist eine gute Sache. Im nächsten Jahr kommen mit Kapstadt, Vancouver und Seoul drei attraktive Orte dazu." Die Formel E hält bis 2039 die alleinigen Rechte für vollelektrifizierte Monoposto-Rennen (italienisch für Einsitzer). Ein Trumpf, der Goldes wert sein könnte.
Lukas Bayer