Das war bisher ein ungewöhnliches Jahr. Im Sport, ganz speziell auch in der Motorrad-WM. Denn wenn jemand im Mai gesagt hätte, dass wir 2020 noch 14 MotoGP-Rennen sehen werden, hätte ihn wohl jeder für verrückt erklärt. Die Pandemie hat uns in ein Korsett gezwungen, mit Auflagen überhäuft. Aber ich muss schon sagen: So sorgfältig, so rigoros, so genau ist wohl keine Sportart mit ihrem Hygienekonzept umgegangen. Schließlich waren da bei jedem Rennen rund 1200 Leute dabei. Und alles hat gehalten. Auch wenn jetzt wieder Valentino Rossi positiv getestet wurde und beim ersten Rennen in Valencia fehlen könnte. Yamaha hat jedenfalls mit dem Garrett Gerloff einen Ersatzmann nominiert.
Dass nach dem Ausfall von Marc Marquez die WM eine komplette Wendung nehmen wird, war vielen klar. Dass aber nun, vor dem Dreifach-Finale mit drei Rennen innerhalb von drei Wochenenden, noch sechs Fahrer eine reelle WM-Chance haben, konnte niemand voraussehen. Selbst für mich ist das die Überraschung schlechthin. Immer wenn man dachte, es könnte sich langsam ein Favorit heraus kristallisieren, kam im nächsten Rennen gleich wieder alles anders. Und dass mit Joan Mir nun ein Suzuki-Pilot vorne liegt, war nie und nimmer vorhersehbar. Aus heutiger Sicht muss ich sogar sagen: der Spanier Joan Mir ist für mich der ganz leichte Favorit im finalen Titelrennen. Suzuki hat noch die frischeren Motoren als Yamaha, die vertragen da etwas höhere Drehzahlen.
Aber: keine der beiden Strecken bevorzugt irgendein Motorrad-Konzept, sowohl Valencia als auch Portimao sind keine Powerstrecken. Also wird da auch Ducati keine Rolle mehr spielen können, zumindest keine entscheidende. Denn Andrea Dovizioso wurde ja verabschiedet. Da hat der Italiener, am Anfang des Jahres durchaus ein WM-Mitfavorit kein große Animo mehr, sich für Ducati noch einmal ins Zeug legen zu wollen. Er wird sein Rennen fahren. Natürlich: Sollte es bei einem oder anderen Grand Prix regnen, ist „Dovi“ wieder ein ganz großer Sieganwärter.
Und dann gibt es dann noch eine Handvoll Fahrer, wie ein Nakagami, ein Pol Espargaro, ein Johann Zarco, ein Alex Marquez, die frisch und munter drauf los fahren können. Und auch gewinnen wollen.
Ein schwerer Fehler
Wie auch immer die WM 2020 ausgehen mag, sie hat Abwechslung ins Spiel gebracht und die ohnehin aufregende MotoGP vielleicht noch ein bisschen spannender gestaltet. Natürlich auch durch den Ausfall von Marc Marquez. Der sicher ein Rolle bei der Vergabe der WM-Krone gespielt hätte. Das überschnelle Comeback von Marc nach seinem Sturz in Jerez, war wohl ein ganz, ganz großer Fehler. Auch von den Ärzten und vom Team, die sofort ein Rennverbot aussprechen hätten müssen. Weil man einen Marquez nicht anders stoppt
Mit einem Comeback von Marc wird heuer nicht zu rechnen sein. Nach der zweiten OP hat man seinen Armbruch doch etwas mehr verschraubt, der Bruch war wohl doch komplizierter, der Schaden größer, als man anfangs zugeben wollte. Aber daraus hat man jetzt gelernt.
Alex Hofmann