Es gibt Ereignisse, die eine Sportart für immer verändern – egal, ob schöne oder tragische. Letzteres gilt für das Wochenende des 1. Mai 1994 für die Formel 1. Danach sollte nichts mehr so sein, wie es zuvor einmal war, verloren doch vor 30 Jahren gleich zwei Fahrer beim Großen Preis von San Marino in Imola ihr Leben.
Das „schwarze Wochenende“ der Motorsport-Königsklasse begann aber schon am 29. April im Autodromo Enzo e Dino Ferrari, ein Freitag, an dem sich traurigerweise schon abzeichnete, was am restlichen Wochenende geschehen sollte. Der damals 21-jährige Rubens Barrichello hob über einen Randstein ab, flog durch die Luft und krachte mit seinem Jordan in einen Reifenstapel. 95-g sollen beim Aufprall nach der Variante Bassa gewirkt haben, was zur Folge hatte, dass der Brasilianer seine Zunge verschluckte und bewusstlos wurde. Neben einer gebrochenen Nase glücklicherweise die einzigen Auswirkungen des Horrorunfalls.
Ein Drama in drei Akten
Es folgten zwei Tage, an denen „Gott seine schützende Hand von der Formel 1 nahm“, wie es Österreichs Motorsport-Legende Niki Lauda einst zusammenfasste. Noch in Schock vom heftigen Crash des jungen Brasilianers sahen Fahrer wie Fans Tags darauf, wie am Simtek-Ford des spätberufenen Österreichers Roland Ratzenberger der Frontflügel brach – bei knapp 320 km/h. Der 33-Jährige schlug wie ein Geschoss in der Betonmauer ein, brach sich dabei das Genick und war sofort tot. Schreckliche Bilder, die auf den Bildschirmen im Fahrerlager zu sehen waren und für Entsetzen sorgten – auch bei Ayrton Senna.
Die brasilianische Gottheit der Formel 1 war oftmals selbst der größte Kritiker seiner Rennserie, machte sich mit Fortlauf seiner Karriere immer größere Sorgen um die Sicherheit in der immer schnell werdenden Königsklasse. Nach dem tödlichen Unfall seines „Rennbruders“ Ratzenberger wandte er seinen Blick vom Bildschirm in seiner Box, er wusste wohl sofort, dass für den Österreicher jede Hilfe zu spät kommt. In den Stunden danach sei der dreifache Champions äußerst nachdenklich gewesen, erinnern sich Weggefährten zurück. Sein Zeitungskommentar in der deutschen Zeitung „Welt am Sonntag“ vom 1. Mai 1994 trug die Überschrift „Tragische Bestätigung für meine Warnungen“. Senna befasste sich darin mit dem steigenden Risiko in der Formel 1, zeigte sich aber auch optimistisch für das Rennen. Am Nachmittag starb die Lichtgestalt in der Tamburello-Kurve und nichts sollte mehr sein, wie es einmal war.
Ursachen ungeklärt
„Es war, als hätte man Jesus live gekreuzigt“, sagte Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone zum Desaster von Imola 1994. Senna prallte mit seinem Williams bei circa 220 km/h in der Tamburello-Kurve in die Betonmauer und zog sich schwerste Kopfverletzungen zu, da Teile der Vorderradaufhängung den Helm des Brasilianers durchbohrten. Stundenlang kämpften Ärzte im Krankenhaus um sein Leben – vergebens. Ein tödlicher Unfall, der bis heute für Diskussionen sorgt. Noch immer sind die Gründe nicht restlos geklärt. Adrian Newey, damals schon hochgepriesener Designer bei Williams, sprach Jahre später von einer „aerodynamischen Fehlkonstruktion“, Michael Schumacher will damals gesehen haben, dass der Bolide Sennas tatsächlich nicht ruhig auf der Straße lag. Ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen sechs Personen, darunter Newey und Teamchef Frank Williams, führte nach Jahren zu Freisprüchen.
Was bleibt, ist vor allem die Legende Senna und ein Motorsport, der in Folge immer sicherer wurde. „Er war überlebensgroß und wäre sicherlich Präsident von Brasilien geworden, wenn er es gewollt hätte“, sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko einmal über die Strahlkraft des dreifachen Weltmeisters. Gerhard Berger, bei McLaren drei Jahre lang Teamkollege Sennas, stellte seinen Ferrari in Imola wenige Augenblicke nach dem Unfall seines „guten Freundes“ mit einem Defekt ab. Es sei so gewesen, „als würde die Sonne vom Himmel fallen“. Bei all der Tragik hatte das „schwarze Wochenende“ der Formel auch positive Auswirkungen für die Zukunft.
Video: Der 30. Todestag von Ayrton Senna
Der Automobil-Weltverband FIA intensivierte Crashtests, die Entwicklung in Sachen Verkehrssicherheit legte an Tempo zu. „Ohne die Ereignisse von Imola hätten wir 20 oder 30 Jahre länger gebraucht, um in puncto Verkehrssicherheit dorthin zu gelangen, wo wir heute sind“, war etwa der damalige FIA-Präsident Max Mosley überzeugt. In der Formel 1 gab es seither einen tödlichen Unfall von Jules Bianchi, der neun Monate nach seinem Zusammenprall mit einem Bergungsfahrzeug in Suzuka an den Folgen des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas starb. Nicht zuletzt dieser Unfall zeigt, dass es in der Formel 1 immer nur maximale Sicherheit geben kann, und nie endgültige.