„Ich habe schon jetzt das Gefühl, dass wir das Limit an Rennen weit überschritten haben“, kritisierte Red-Bull-Pilot Max Verstappen bereits vor dem ersten Rennen des Jahres in Bahrain. Ein solches Pensum werde er „nicht noch zehn Jahre“ machen. Schon in den vergangenen Jahren hatte sich der 26-Jährige immer wieder gegen die ewige Steigerung der Anzahl der Rennen positioniert. „Es sind zu viele für mich, aber wir müssen damit klarkommen“, hatte er im Sommer 2023 gesagt. Für seine Karriereplanung sei diese Logik „definitiv nicht hilfreich“. Die 24 Events in diesem Jahr hält auch Fernando Alonso für übertrieben. „Das ist nicht nachhaltig, für niemanden“, kritisierte der Spanier, der für Aston Martin fährt.
Insgesamt 193.139 Flugkilometer wird ein Mitglied eines Formel-1-Teams, das in England stationiert und bei allen Saisonrennen dabei ist, laut APA-Berechnungen im Jahr 2024 in etwa zurücklegen. Angenommen wurde dabei, dass nur Direktflüge absolviert werden. Das entspricht fünf Weltumrundungen. Das zehrt an den Kräften - trotz allem Luxus vor allem für die Stars und Führungskräfte der Motorsport-Königsklasse.
Man müsse darüber hinaus „auch an die Auswirkungen denken, die wir auf die Welt haben“, bemerkte Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. „Je mehr Rennen wir veranstalten, umso mehr reist dieser ganze Zirkus überallhin. Nachhaltigkeit sollte im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen.“ Die Formel 1 will bis 2030 klimaneutral sein. Wie sich das ausgehen soll, wird selbst mit kühnen Gedankenspielen nicht ersichtlich.
„Wir sind am Limit, was die Zahl der Rennen für Teampersonal, Fahrer, weitere Formel-1-Mitarbeiter, Journalisten und so weiter betrifft“, meinte Ferrari-Pilot Carlos Sainz, dessen Einsatz am Wochenende in Melbourne wegen der Folgen einer Operation am Blinddarm nicht sicher ist. Alonso bringt angesichts von Verstappens Dauerdominanz aber noch etwas anderes ins Spiel. „Stellen Sie sich vor, wie wir in die Rennen der zweiten Saisonhälfte gehen, wenn es dann keinen Anreiz mehr geben sollte, um etwas zu kämpfen“, merkte er an.
Für die Verantwortlichen könnten es freilich noch mehr Events sein. „Wir könnten schon heute mehr als 30, sogar 32 Rennen haben, weil jeder eines veranstalten will“, betonte Geschäftsführer Stefano Domenicali zum Saisonstart. Gleichzeitig bezeichnet der Italiener 24 Grand Prix als angemessen für die absehbare Zukunft.
Verstappen muss nicht in der Economy-Klasse fliegen, die Stars genießen den Komfort von Privatjets. Die Teams kümmern sich aber auch längst um Herz und Kopf aller weiteren Mitarbeiter. Für Mechaniker, Datenwissenschaftler und Co. gibt es Wohlfühlmanager, die sich um die Schlafgewohnheiten angesichts von Jetlag-Distanzen kümmern. Die Köche wiederum bereiten Soulfood zu, das der Seele guttut. „Man muss sich um die hart arbeitenden Menschen kümmern“, betonte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Längst gibt es auch Rotationssysteme für Mitarbeiter.
Tränen bei KTM
Auch die MotoGP hat dieses Jahr einen XXL-Kalender, in diesem Fall mit 21 Rennen. „Die optimale Größe, die wir uns als Hersteller wünschen würden, wären 18 Rennen und nicht 20. Und schon gar, wenn wir rüberschielen auf die Formel 1, 24. Da wird es einfach zu viel“, sagte KTM-Motorsportchef Pit Beirer vor dem Saisonauftakt. „Es ist sicherlich als Junggeselle extrem spannend, um die Weltgeschichte zu jetten mit dem Rennprogramm. Aber sobald du eine feste Beziehung und Kinder hast, ist es ganz schön, wenn Papa oder Mama am Wochenende einmal zu Hause ist.“
In der vergangenen Saison mit 20 Rennen habe man bei KTM das Limit klar gesehen. „Da gab es auch die eine oder andere Kündigung mit Tränen in den Augen. Die waren wirklich gern dabei, aber kriegen einfach Familie und Beruf nicht unter einen Hut“, verriet Beirer.