Am Sonntag ging auf der legendären Avenue des Champs-Elysees die 110. Tour de France zu Ende. Während sich der Däne Jonas Vingegaard, wie auch im Vorjahr, zum Champion gekrönt hat, schlägt bei den heimischen Fans das Herz für Felix Gall. Die entstandene Euphorie um seine Person genießt er zwar, doch von Abheben ist keine Spur. Sein Umfeld schätzt an ihm nicht umsonst seine Bescheidenheit und umgängliche Art. "Über die Bezeichnung Star mache ich mir gar keine Gedanken. Ich werde weitermachen wie bisher. Mir sagen viele Leute, dass sich mein Leben verändert hat, aber ich habe nicht vor, meine Persönlichkeit zu ändern", verriet der Tour-Debütant.
Der Osttiroler ist niemand, der große Töne spuckt, keiner, der gern im Fokus steht, sondern durch Leistung überzeugen will. Das hat er in den vergangenen drei Wochen eindrucksvoll bewiesen. Der 25-Jährige ist in Frankreich in eine neue "Gallaxie" vorgedrungen.
"Man versucht, das aber nicht zu zeigen"
Nichtsdestotrotz macht er kein Geheimnis daraus, "dass es die Tour der Qualen ist. Ich habe aber vor allem in der dritten Woche gesehen, was möglich ist. Das eröffnet mir für die Zukunft neue Möglichkeiten, was die dreiwöchigen Rundfahrten betrifft", verdeutlicht Gall, der sich bewusst ist, dass künftig "einiges möglich ist, aber ich hatte großen Respekt vor diesem Radspektakel. Man hat oft das Gefühl, man gehört da gar nicht her. Man glaubt, man selbst leidet am meisten, doch jeder andere leidet ja genauso. Man versucht, das aber nicht zu zeigen. Es ist ein emotionales Auf und Ab."
Auf die Frage, ob er das Erlebte tatsächlich schon realisiert hat, meint der Junioren-Weltmeister von 2015: "Wenn ich ganz ehrlich bin, werde ich noch ein wenig Zeit brauchen, bis ich es wirklich glauben werde können. Danach ist Zeit für Zukunftsmusik und neue Pläne", sagt Gall, dessen achter Rang im Gesamtklassement all seine Erwartungen übertroffen hat.
Dabei hatte der Sieger der Königsetappe, der rund 200 Tage im Jahr auf Achse ist, am Anfang des Jahres mit der Nominierung für die Tour de France "nie gerechnet. Im Winter stand ich ja nicht auf der Liste. Doch mein Trainer hat gemeint, wenn ich gut performe, gäbe es noch die Chance. Und genau das ist eingetroffen", erzählt der Osttiroler, der sich bereits im Vorfeld bei der Tour of the Alps, der Baskenlandtour sowie der Tour de Suisse in einer herausragenden Form präsentiert hatte.
"Da war ich in den Anfangsjahren zu nett"
Vor wenigen Wochen offenbarte der Ausdauerathlet, dass er teilweise zu gutgläubig und naiv sei. "Ich muss verstehen, mehr auf mich zu schauen. Da war ich in den Anfangsjahren zu nett. Ich bin nicht der Typ, der sagt, da bin ich, sondern eher der introvertierte. Bei manchen Sprints hatte ich zu viel Respekt vor großen Namen, dabei habe ich dasselbe Recht, in der Position dabei zu sein."
Mit der Super-G-Weltmeisterin von 2017, Nicole Schmidhofer, hat Gall einen weiteren Fan an Land gezogen. Auch Unternehmer Leo Hillinger war völlig aus dem Häuschen. "Das geht in die Geschichte ein, das ist der Wahnsinn. Ich freue mich so für Felix. Was er geschafft hat, ist einfach unglaublich."
Ein geerdeter junger Mann aus Nußdorf-Debant, ohne jegliche Starallüren, sorgte beim bedeutendsten Straßenradrennen der Welt für einen regelrechten Hype. Und wer weiß, vielleicht wird auch bald das Aufeinandertreffen mit Arnold Schwarzenegger zur Realität. Die Netflix-Doku der "steirischen Eiche" hat Gall nahezu in seinen Bann gezogen.
"Danach werde ich einmal tun, was ich will"
Der heutige Tag wird hingegen der wohlverdienten Entspannung gewidmet. Die kurze Verschnaufpause will er nutzen, um die Batterien wieder aufzufüllen. Bereits am Mittwoch startet der Radprofi aus dem französischen AG2R-Team beim Kriterium in Wels. Und anschließend? "Ist ein großer Empfang geplant, auf den ich mich total freue. Danach werde ich einmal tun, was ich will", grinst Gall, der vermutlich gelegentlich auf dem Golfplatz zu finden sein wird. Sein Handicap (19) ist ausbaufähig, meint er, wie auch bekanntlich das Zeitfahren.