Dass Frauen am Wegesrand im Eifer des Gefechts ihre T-Shirts aufreißen und plötzlich oben ohne dastehen, kommt vor. Die Radprofis der Tour de France können dieser Darbietung nur wenig Beachtung schenken, da sie letztlich mit wesentlicheren Dingen beschäftigt sind. Debütant Felix Gall trifft auf etwas ungewohnte Neuheiten, über die er schmunzeln kann. Neben Bierduschen schwebt gelegentlich auch der Geruch von Rauschmitteln in der Luft. "Manchmal ist es ziemlich intensiv." Die Tour gleicht demnach einem Volksfest mit ausgelassener Stimmung. Auch dank der Netflixserie "Tour de France: im Hauptfeld" lockt die Tour heuer noch mehr Massen an als zuvor. Von gewöhnlich ist man bei diesem Spektakel weit entfernt.

"Das war einfach Riesenpech"

Der unglückliche Sonntag, als Gall nach einem Defekt Zeit einbüßen musste, steckte ihm am heutigen Ruhetag noch leicht in den Knochen. "Das war so bitter und für den Kopf schwer zu verdauen. Wenn ich eingehe oder stürze, würde ich mich ärgern, aber das war einfach Riesenpech", meint der Biker aus Nußdorf-Debant, der sich mit dieser Thematik am liebsten nicht länger auseinandersetzen will.

Die nötige Substanz wird er im morgigen Einzelzeitfahren benötigen. Es ist nämlich die selbst titulierte "Schwachstelle" von Gall. Nur wartet sie dieses Mal nicht im klassischen Stil auf ihn, wie der leidenschaftliche Golfer mit Handicap 19 verdeutlicht: "Es ist zum Glück sehr hügelig, bergig und am letzten Anstieg werde ich dann aufs Straßenrad wechseln." Die Strecke geht von Passy über 22,4 Kilometer nach Combloux mit 600 Höhenmetern und einem Schlussanstieg über sechs Kilometer mit steilem Finish.

"Ich bin schon teilweise am Limit"

Im Vorfeld des bedeutendsten Straßenradrennens der Welt verriet der 25-Jährige, dass er einen Etappensieg anstreben würde. Diese Zielsetzung hat sich aufgrund des Gesamtklassements modifiziert. Der Radprofi aus dem französischen AG2R-Team will am Ende die Tour in den Top Ten beenden. "Die Chancen stehen noch immer gut. Am Mittwoch folgt die Königsetappe und man merkt doch schon, dass der ein oder andere Fahrer mit Problemen zu kämpfen hat, eine Grundmüdigkeit ist einfach da. Mir ist bewusst, dass ich da noch enorm viel Energie reinstecken muss. Ich bin schon teilweise am Limit." Auf den zehntplatzierten Guillaume Martin fehlen dem Osttiroler derzeit rund 21 Sekunden.

Seine Zwischenbilanz der Tour "hat alle meine Erwartungen übertroffen. Ich habe auch viele in meinem Umfeld überrascht. Was ich gezeigt habe, war so nicht zu erwarten. Mental kostet es schon Kraft, aber körperlich geht es mir den Umständen entsprechend gut", erklärt der 25-Jährige, dessen Tag völlig durchgetaktet ist.

Während Gall die Top Ten attackieren will, wird im Kampf gegen die Uhr das spektakuläre Duell um die Spitze zwischen dem Dänen Jonas Vingegaard und dem Slowenen Tadej Pogačar fortgesetzt. Lediglich zehn Sekunden trennen die zwei Protagonisten, die der Konkurrenz auf und davon fahren.