Es war der 19. Dezember 2016, als Anna Holmlund gegen 14.30 Uhr bei einer Trainingsfahrt für den Skicross-Weltcup in Innichen schwer zu Sturz kam. Die Schwedin, die mit einem Rettungshubschrauber nach Bozen geflogen wurde, erlitt dabei schwere Hirnverletzungen und wurde in ein künstliches Koma versetzt, aus dem sie erst im Mai 2017 wieder erwachte. Seit dem kämpft die 19-fache Weltcupsiegerin um eine Rückkehr in ein normales Leben. Die Hürden, die sich vor der mittlerweile 34-Jährigen auftürmen, sind allerdings nach wie vor groß.
Dabei kommt Holmlund aber ihre Kämpfernatur entgegen, der Begriff "aufgeben" findet in ihrem Wortschatz keinen Platz. Verbrachte sie die ersten Monate noch im Rollstuhl, konnte sie diesen dann in die Ecke stellen und sich mit Gehilfen den Weg durch ihr neues Leben bahnen. Aber auch diese benötigt sie heute so gut wie nicht mehr. Zur Hilfe kam Holmlund, die in der ersten Zeit nach ihrem Schicksalsschlag mit vielen Dämonen zu kämpfen hatte ("Warum habe ich nicht gleich sterben können", hatte sie sich einst gefragt) auch ihr Freund, den sie 2020 kennenlernte.
Niklas Hakansson hatte sich auch nach einer schweren Hirnverletzung zurückgekämpft (ihm hatte als 15-Jähriger jemand eine Glasflasche auf den Hinterkopf geschlagen), hält heute Vorträge ("Ich hatte lange Selbstmordgedanken und Schuldgefühle, sehe auf einem Auge nichts mehr und leide noch immer unter täglichen Kopfschmerzen") und gibt Anna mit seiner Erfahrung viel Zuversicht.
Und so setzte es sich Kämpfernatur Holmlund zum Ziel, jeden Tag einen Schritt nach vorne zu machen. Eine Mammutaufgabe, musste die Olympia-Dritte von 2014 doch erst wieder richtig gehen lernen und so zu sprechen, dass man sie auch versteht. Doch mit täglichen Besuchen bei Physio- und Sprach-Therapeuten stellten sich nach und nach auch die Erfolge ein.
Eine große Hilfe waren der Skandinavierin ("Ich will den anderen ein Vorbild sein und zeigen, dass man es schaffen kann") auch Reha-Camps in Spanien, wo sie von enormen Fortschritten berichten konnte. Diesbezüglich erlitt Holmlund aber einen bitteren Rückschlag. Denn die schwedische Sozialversicherung zeigte sich nicht bereit, für eine entsprechende Entschädigung aufzukommen. Dabei würde sie das Geld dringend für ihren weiteren Heilungsprozess benötigen.
Die Familie fechtet die Entscheidung vergebens an, die danach folgende Berufung wurde gar nicht erst vor Gericht behandelt. Pikantes Detail: Auch andere Schweden hielten sich damals in den Reha-Camps auf und erhielten sehr wohl eine Entschädigung. Allerdings kamen diese aus einem anderen Landkreis Schwedens.
Damit droht die weitere Genesung Holmlunds an der Bürokratie zu scheitern. Eine Tatsache, mit der sich die Familie nicht abfinden will. "Wir geben nicht auf", verkündete Vater Lars gegenüber der schwedischen Presse. Etwas anderes hätte man sich von Anna Holmlund auch nicht erwartet.