Nach einer fatalen ersten Halbzeit mit den Sturm-Amateuren gegen Großklein in der steirischen Landesliga um die Jahrtausendwende wetterte unser damaliger Kult-Coach Fredl Wirth in der Kabine: "Ihr glaubt’s, ihr seid’s die Brasilianer..." - nun ja, wir dachten es vielleicht wirklich – „...Ihr seid‘s die Kaffeebohnen von Brasilien!“ – ließ er uns aber wissen.

Seitdem ist brasilianischer Röstkaffee fixer Bestandteil meiner Küche. Ich blieb Zeit meines Lebens beim ehrlichen Pass, verabschiedete mich vom dreifachen Übersteiger, den doch lieber Brasilianer machen sollten. Eine ähnliche Kabinenpredigt gab es wahrscheinlich von Tite nach der überraschenden 0:1-Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen Kamerun. Marquinhos wutentbrannte Gestik über 19 (!) verschenkte Torchancen blieb hängen, kein Einzelfall bei der Weltmeisterschaft, wenn einzelne Nationen zu viele Wechsel vornehmen und der Spielfluss dadurch ins Stocken gerät. 

Nun aber Manege frei für die Stammformation der "Seleçao" mit dem unbändigem Mittelfeldmotor Casemiro und dem in Torlaune befindlichen Richarlison. Die Grundordnung wird gegen Südkorea wieder ein 4-3-3 sein, wobei die Brasilianer gerne ihre Außenverteidiger ins Zentrum ziehen und sich so die Ordnung ändert. Präzise Anspiele in den Zwischenlinienraum am Flügel und den beiden Halbräumen werden gesucht, sodass die technisch hochversierten Südamerikaner mit Geschwindigkeit frontal auf die Abwehr zudribbeln können.

Die Abwehr der Tiger aus Asien ist gewarnt und besteht aus viermal Kim und einmal Kwon. Vor der Abwehr spielt Jung und ich konnte es nach meiner Recherche gegen Portugal kaum glauben, dass er mit 32 Jahren der älteste Akteur bei den Südkoreanern war. Paulo Bentos Spielerbox ist in allen Belangen unterlegen, lediglich der einzige "Maskenmann" dieser Endrunde und zugleich bester asiatischer Export im europäischen Klubfußball, Heung-Min Son, könnte den Samba-Tänzern die Stirn bieten.

Aber besser nicht, eine Fraktur unter dem linken Auge war Anfang November die Ursache, dass ein ganzes Land sich um die Fitness seines Superstars sorgte. Eigentlich wäre es heute zur Fußball-Primetime angebracht, mit meinem brasilianischen Dress nach Großklein zu fahren. Dann würde sich der Kreis wieder schließen, wenn das große Brasilien auf das kleine Südkorea trifft.

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