Auf der Tribüne der Weltmeister grinste Roberto Carlos in Richtung seines 2002er-Kollegen Ronaldo. Brasilianische Lippenleser hätten dem Ehemaligen im Verlauf von 82 langen Minuten sicher auch den Satz „Ich glaube, die brauchen einen Freistoß von mir“ in den Mund legen können. Doch ab diesem Zeitpunkt war solche vergangene Kunst nicht mehr vonnöten. Denn soeben hatte Casemiro mit einem wunderbaren, ganz leicht von einem Schweizer Hinterteil abgelenkten Schuss das 1:0 für die „Seleção“ erzielt. Der Schweizer Riegel war geknackt, Brasilien hat die erste Etappe auf dem geplanten Weg ins Finale hinter sich gebracht und wartet auf den Achtelfinalgegner.
Die Eidgenossenschaft erwies sich in ihrer wiedergefundenen Runde als verschworene Gemeinschaft als zäher Brocken für die Brasilianer, die lange Zeit kaum eine Lücke fanden. Einmal war Vinicius Junior den Schweizern entwischt, doch er fand in Torhüter Yann Sommer seinen Meister. Vom Gefühl, der verletzte Neymar würde der Mannschaft von Tite doch stärker abgehen als vermutet, konnte sich ein Beobachter da nur schwer befreien. Denn es herrschte ein Mangel an Ideen und auch das Tempo in Spiel und Pass war dem verwöhnten Brasilien-Fan in langen Phasen der Partie gewiss zu gering. Aber sie konnten warten.
Zu hoch gestecktes Ziel
Die Schweizer waren mit vom Nati-Trainer Murat Yakin verordnetem Selbstbewusstsein gegen die Brasilianer eingestiegen. „Wir können sie schlagen“, hatte der Teamchef gemeint. Dieses Ziel war, so eine Erkenntnis der Begegnung, zu hoch gesteckt, denn Gefahr versprühten die Helvetier kaum, doch auch mit einem aufgrund der schon fortgeschrittenen Spielzeit durchaus möglichen Remis hätten sie Brasilien verärgert.
So weit wollte es aber die „Seleção“ dann doch nicht kommen lassen. Nach etwas mehr als einer Stunde schien der Bann gebrochen, als Vinicius Junior nach einer Balleroberung im Mittelfeld die Kugel an Sommer vorbeischob. Doch die Freude der Brasilianer war verfrüht, der an der Entstehung maßgeblich beteiligte Richarlison war aus klarer Abseitsposition zurückgelaufen.
Der Treffer fiel schließlich doch noch nach einer schönen Aktion und in den letzten zehn Minuten der Partie kam Brasilien dem 2:0 wiederholt sehr nahe. Die Schweizer waren hingegen vom Ausgleich weit entfernt. Wenn Brasilien, wie es wohl zu erwarten sein wird, gegen Kamerun nicht verliert, genügt den Eidgenossen gegen Serbien ein Unentschieden für den Aufstieg ins Achtelfinale. Doch da wartet noch eine ausgesprochen schwere Aufgabe auf das Team des Nachbarn.