Brasilien, das Land des Sambas. Unser Ex-ÖFB-Fitnesscoach Roger Spry versuchte mir einst zu erklären, wieso die Brasilianer so unglaublich gute Fußballer sind: Sie hätten den Samba, also den Rhythmus, im Blut – und tanzten deswegen so über das Spielfeld. Die Deutschen hätten den Marsch im Blut, wir Österreicher den Walzer. Also sollten wir leichtfüßig über das "Rasenparkett" gleiten. Gelingt nicht immer – aber Europameister Italien erhielt eine Tanzstunde.
In Brasilien ist heute Feiertag, wenn das Team rund um Neymar Jr. erstmals bei der WM "auftanzt". Die "Selecao" absolvierte eine souveräne WM-Qualifikation, spielte alles in Grund und Boden: 45 Punkte in 17 Spielen sind Rekord und nähren die Hoffnung auf den ersten Titel nach 20 Jahren, es wäre Titel Nummer sechs. Und: Diesmal liegt der Fokus nicht allein auf Neymar Jr., sondern auf vielen feinen Edeltechnikern.
Apropos Edeltechniker: Neymars Vater schraubte einst als Mechaniker an Schulbussen und Motorrädern, als sein Sohn in den ärmsten Favelas von Praia Grande trickste. Schon früh war stadtbekannt, dass hier ein Talent von unglaublichem Ausmaß spielt. Durch meine berufliche Tätigkeit verschlug es mich schon viermal an den Ort, an dem Neymar Jr. aufgewachsen ist. Mit ihm und seiner Familie, seinem Management verbindet mich sehr viel.
Ich durfte selbst miterleben, was es bedeutet, eine Nation mit 214 Millionen Menschen glücklich zu machen. Fußball ist in Brasilien alles, gibt den Menschen Hoffnung. Der größte Hoffnungsträger des Landes ist mittlerweile 30 Jahre jung, scheint ruhiger und ausgeglichener. Doch aufgrund seiner polarisierenden Art, Fußball zu spielen, wird er weiterhin im Fokus der Öffentlichkeit stehen.
Unterstützung im Rampenlicht bekommt er in Katar von einer Kreativabteilung, die im besten Alter ist, um den Pokal nach Südamerika zu lotsen. Raphina, Richarlison und Paqueta zählen allesamt 25 Jahre, dahinter sicherte eine unglaublich erfahrene und "Titelerprobte" Hintermannschaft ab.
Serbiens Kult-Teamchef Dragan Stojković sieht das, wie alles andere, aber sehr gelassen. "Piksi" kann mit einer der besten serbischen Mannschaften der Geschichte aufwarten. Sergej Milinković-Savić und Dušan Tadić sollen den Takt an vorderster Front angeben, dahinter lauert ein massives Mittelfeld – und lauert darauf, die brasilianischen Tänzer aus dem Rhythmus zu bringen.