So realistisch müsse man schon sein, findet Trainer Markus Fiedler. Dass der GSV St. Radegund bei der Bruno-Gala als Amateurteam des Jahres ausgezeichnet wurde, habe wahrscheinlich zu 40 Prozent sportliche Gründe: „Zu 60 Prozent ist es die Story dahinter.“

„Endspiel“ am Fuße des Schöckls

Irgendwie war in St. Radegund am 9. Juni Chaos vorprogrammiert. Ursprünglich aus all den richtigen Gründen. Es ist nicht alltäglich, dass sich die rund 2000 Einwohner zählende Gemeinde am Fuße des Grazer Hausbergs Schöckl auf einen Ansturm an Fußballfans vorbereitet, sogar extra ein Parkraumkonzept erarbeitet, das via sozialer Medien unter die Leute gebracht wird.

Am letzten Spieltag der 1. Klasse Mitte A sollte im direkten Duell zwischen St. Radegund und Graz United, ein von Ex-Sturm-Profi Dardan Shabanhaxhaj gegründetes Projekt, die Entscheidung um den direkten Aufstieg in die Gebietsliga fallen. Beide Kontrahenten spazierten quasi im Paarlauf durch die Saison und lachten punktegleich von der Tabellenspitze.

Gespielt wurde auch. Allerdings spontan in Passail. Die Unwetterkatastrophe an diesem Wochenende verhinderte ein Fußballfest in St. Radegund und riss eine Wunde in den Ort und den Verein, die nach wie vor nicht vollends verheilt ist. Die durch eine Hangrutschung schwer beschädigte Volksschule musste abgerissen werden. Am Fuße des Hangs befindet sich der Fußballplatz, der nach wie vor gesperrt ist. Die Fußballer des GSV sind immer noch heimatlos.

Logistische Herausforderungen

Auf ungewohntem Terrain ging der Showdown mit Graz United bei widrigen äußeren Bedingungen 1:3 verloren. Zu Hause hatte St. Radegund zuvor nicht einen einzigen Punkt abgegeben. „Wir holen 70 von 78 möglichen Punkten und wurden nicht Meister“, schüttelt Fiedler heute noch den Kopf. Ganz zu schweigen von der logistischen Herausforderung, die das ins Wasser gefallene Event mit sich brachte: „Der Aufwand war riesig, du sollst 1000 Leute versorgen. In St. Radegund war alles gerichtet und auf einmal musst du am selben Tag über den Schöckl drüber.“

Das sportliche Happy End folgte in der Relegation gegen Gösting, in der St. Radegund den ersten Aufstieg aus der letzten Klasse seit 36 Jahren doch noch fixierte. Die Umstände wurden seither nicht leichter. Für die Heimspiele mietete sich der Verein im benachbarten Kumberg ein. Mangels Sportplatz gilt es unter der Woche zu improvisieren. Trainiert wird auf einem Feld im Ortsgebiet, auf dem man sich nicht ganz so sicher sein kann, ob sich die Tore auch wirklich parallel gegenüberstehen. Kabinen-Infrastruktur ist keine vorhanden. Die Kicker ziehen sich einige Kilometer entfernt um und fahren dann mit dem Auto zur Übungseinheit.

Spendenaufruf des GSV St. Radegund

Dazu kommt der Verlust des sozialen Treffpunkts. Gerade im Amateurbereich ist dies einer der wichtigsten Faktoren. „Nach einem Training bei einem Bier zusammenzustehen und auch über Dinge zu reden, die nichts mit Fußball zu tun haben, gehört in dieser Liga einfach dazu“, so Fiedler. Wie es infrastrukturell weitergeht, ist unklar. In der Gemeinde gibt es beginnend mit der Volksschule auch andere Themen. Der GSV startete angesichts der finanziellen Belastung einen Spendenaufruf und ist über jede Unterstützung dankbar.

Die Vertreter des GSV St. Radegund auf der Bühne der Bruno-Gala
Die Vertreter des GSV St. Radegund auf der Bühne der Bruno-Gala © GSV St. Radegund

Gleichzeitig dient St. Radegund auch als Beweis, warum der Fußball am Ende doch die wichtigste Nebensache der Welt ist. Trotz aller Hürden lässt man sich die Freude am Hobby nicht nehmen und ist auch nach dem Aufstieg sportlich im Soll. „Bei der Bruno-Gala konnte sich wahrscheinlich keiner vorstellen, unter welchen Bedingungen wir gerade unsere Leidenschaft Fußball ausleben. Wir haben kein Sporthaus, der Platz mit der abgerissenen Volksschule schaut aus wie eine Baustelle“, so Fiedler.

Umso bedeutungsvoller die Würdigung bei der Gala, zu der 20 Vereinsvertreter nach Wien reisten. Fiedler saß unter anderem an einem Tisch mit Peter Pacult, Andreas Ulmer und Heinz Lindner: „Mit Lindner habe ich länger über unsere Geschichte gesprochen. Er konnte es kaum glauben.“