Österreichs Fußball-Nationalteam hat mit der klassischen Vierer-Abwehrkette im November im Test gegen Italien (2:0) gute Erfahrungen gemacht. Teamchef Ralf Rangnick will dem System zum Auftakt der EM-Qualifikation in Linz gegen Aserbaidschan (24. März) und Estland (27. März) treu bleiben. Auf den Außenverteidiger-Positionen erklärte der Deutsche schon eineinhalb Wochen davor Bologna-Legionär Stefan Posch und Leeds-United-Mann Maximilian Wöber zur ersten Wahl.
"Wir wären schlecht beraten nach dem Italien-Spiel, wenn wir jetzt plötzlich wieder zu einer Dreierkette switchen", meinte Rangnick in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten. "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit einer Viererkette spielen, ist schon groß. Wir haben dann auch den Vorteil, dass wir einen Offensivspieler vorne mehr auf dem Feld haben." Ein 3-5-2-System hatte Rangnick mitunter im Vorjahr in der Nations League praktiziert.
Wimmer oder Honsak
Als Außenspieler vor einer Dreierkette sieht er die gelernten Innenverteidiger Posch und Wöber nicht. "Da kommen ganz andere Spieler ins Rennen", sagte Rangnick. Er nannte etwa Offensivmann Patrick Wimmer oder selbst den erstmals einberufenen Darmstadt-Stürmer Mathias Honsak. "Wir werden aber nicht zocken", betonte Rangnick. "Bei mir wird ein Spieler nur dann spielen, wenn ich das Gefühl habe, dass das seine beste Position ist, und dass er da auch hingehört."
Posch hatte zuletzt als Rechtsverteidiger bei Bologna starke Leistungen gezeigt. "Er ist im Moment sicher die Nummer eins auf der Position", sagte Rangnick. Als Alternative nominierte er Eindhovens Phillip Mwene. Auf die Routiniers Christopher Trimmel (36) und Andreas Ulmer (37) verzichtete Rangnick, weil sie möglicherweise gar nicht gespielt hätten. Union-Berlin-Kapitän Trimmel habe er das in einem längeren Telefonat erläutert. Für Mwene sprach laut Rangnick, dass er auf beiden Außenbahnen agieren könne. "Er hat einen sehr guten linken Fuß."
Wöber ist gesetzt
Die linke Abwehrseite bleibt nämlich eine Problemzone. Wöber ist gesetzt, obwohl er bei Leeds Innenverteidiger spielt. "Gegen Italien hat er das richtig gut gemacht. Das ist im Moment die naheliegendste Lösung." Bayern Münchens Ausnahmetalent Paul Wanner, das er für Österreich gewinnen will, hält der Teamchef nicht für die Antwort. "Momentan spielt er auf Männerniveau noch nicht auf seiner besten Position. Die sehe ich schon auf der Acht oder Zehn", meinte Rangnick. "Er muss im Zentrum des Spiels sein."
Bei den Bayern-Profis ist Wanner auch bereits auf der linken Außenbahn zum Einsatz gekommen. Zuletzt agierte der 17-Jährige aber wieder hauptsächlich bei den Junioren und in der zweiten Mannschaft. Ob er für Österreich oder Deutschland spielen will, darauf will sich Wanner vorerst nicht festlegen. "Wichtig ist, dass er ab Sommer regelmäßig zum Einsatz kommt - so hoch wie möglich", meinte Rangnick. "Dann sieht man weiter."
Lob für Prass
Als Akteur mit Linksverteidiger-Potenzial nannte Rangnick den in der Bundesliga bei Sturm Graz zuletzt groß aufspielenden Mittelfeldmann Alexander Prass. "Bei ihm habe ich die Vorstellung, dass er sich zu so einem Spieler entwickeln kann in den nächsten ein oder zwei Jahren. Er hat im Vergleich zu Paul Wanner auch mehr physische Voraussetzungen, was lange Läufe, Speed und Beschleunigung angeht."
Über genug Tempo verfügt auch Patrick Wimmer. Der 21-Jährige hat bisher mit drei Toren und sechs Assists für Wolfsburg überzeugt. "Die Formkurve bei ihm ist offensichtlich", sagte Rangnick. "Er hat eine gute Kombination aus Tempo und Technik. Jetzt beginnt er auch Tore zu schießen, nicht nur vorzubereiten." Zudem sei der Niederösterreicher noch ein junger Spieler. "Von dieser Sorte Tempodribbler mit Speed, die vom Flügel kommen, haben wir nicht viele. Dem traue ich auch für die Zukunft einiges zu."
Arnautovic bleibt ein Thema
Einst war auch Marko Arnautovic ein solcher. Mittlerweile hat Österreichs Rekordnationalspieler 106 Länderspiele auf dem Buckel, ist zum Mittelstürmer geworden, war bei Bologna zuletzt aber nur Reservist. "Bei uns hat er bisher seine Leistung gebracht", betonte Rangnick. "Für mich hat er gegen Italien ein herausragendes Spiel gemacht - so gut, wie ich ihn selbst noch nie live gesehen habe. Solange er diese Leistungen bringen kann, wird er bei uns im Nationalteam eine Rolle spielen."
Arnautovic muss sich aber ebenfalls beweisen. "Wir haben vorne schon verschiedene Möglichkeiten", meinte Rangnick. Michael Gregoritsch oder Karim Onisiwo hatten zuletzt allerdings mit kleinen Verletzungen zu kämpfen. Dass Arnautovic bei der EM in Deutschland 35 Jahre alt sein wird, lässt Rangnick kalt. "Was in eineinhalb Jahren passiert, interessiert mich jetzt noch nicht. Solange ich das Gefühl habe, Marko gibt uns etwas, das wir ohne ihn nicht kriegen, wird er weiter dabei sein."
Seine Tore - 34 hat Arnautovic für Österreich bereits erzielt - könnten auch gegen Aserbaidschan gefragt sein. Die Aseris haben ihre jüngsten fünf Partien gewonnen, darunter in der Slowakei (2:1) und in Nordmazedonien (3:1). "Ich will sie nicht stärker machen, als sie sind", sagte Rangnick. "Aber das ist eine gute Mannschaft, die auch versucht hinten rauszuspielen." Ganz im Gegensatz zu Estland. "Die haben einen sehr geradlinigen Stil, spielen immer wieder schnell nach vorne. Das werden zwei Gegner mit sehr unterschiedlichem Ansatz."