Die offizielle Stellungnahme von Gerhard Milletich zu seinem Rückzug als ÖFB-Präsident war bezeichnend. Der Burgenländer sprach von einer "massiven medialen Negativ-Kampagne", aber auch von "internen Angriffen gegen meine Person" und "Feindseligkeiten einiger Mitglieder des Präsidiums". Das höchste Gremium des mit Abstand größten Sport-Fachverbandes des Landes ist tief gespalten, und daran wird auch Milletichs Abgang nichts ändern.
Die Landeschefs aus Oberösterreich (Gerhard Götschhofer), Salzburg (Herbert Hübel) und Tirol (Josef Geisler) machten schon Leo Windtner das Leben schwer und standen ab dem Beginn von Milletichs Amtszeit in strikter Opposition zum 66-Jährigen. Dies führte wiederum zu schweren Differenzen mit den übrigen Landespräsidenten – mittlerweile gibt es praktisch keine Kommunikation mehr zwischen den beiden verfeindeten Lagern, außer in Präsidiumssitzungen, die "Gerichtsverhandlungen" gleichen, wie ein Gremiumsmitglied berichtete.
Milletich betonte gleich nach seiner Wahl mit Blick auf die "West-Front", er sehe sich nicht als Brückenbauer. Sein Nachfolger wird dies sein müssen, ansonsten droht eine lang anhaltende Lähmung des Präsidiums. "Wir brauchen jetzt einen Präsidenten, der einen kann, und das wird schwierig", erklärte der steirische Landespräsident Wolfgang Bartosch.
Zu allem Überfluss herrschen nicht nur im Aufsichtsratsorgan, sondern auch in der operativen Führung des Verbandes atmosphärische Störungen. Das Verhältnis zwischen Generalsekretär Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold, Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, ist dermaßen zerrüttet, dass in Bälde wohl einer aus dem Duo den Verband verlassen muss.
Die Entscheidung darüber dürfte der neue Präsident treffen, der im Rahmen einer Außerordentlichen Hauptversammlung im Mai oder Juni gewählt wird. Bis dahin wird wohl einer der aktuellen Vizepräsidenten – Götschhofer, Geisler, Niederösterreichs Landeschef Johann Gartner und Bundesliga-Aufsichtstratsvorsitzender Philip Thonhauser – einspringen.
Götschhofer und Geisler sind nach derzeitigem Stand im Präsidium nicht mehrheitsfähig und die Aussicht auf einen Bundesliga-Vertreter an der Spitze des ÖFB sorgt bei einigen Personen innerhalb des Verbandes für Stirnrunzeln. Gartner wiederum hat seinen 70. Geburtstag schon hinter sich und fiel des Öfteren mit skurrilen Aussagen auf, stimmte zudem gegen das Infrastruktur-Projekt Wien-Aspern. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass der Niederösterreicher am Freitag bei der Präsidiumssitzung in Graz das Rennen macht.
Thonhauser und Pangl mit Ambitionen
Über die langfristige Lösung auf dem Präsidentensessel wird erst später entschieden. Ambitionen auf das prestigeträchtige Amt werden unter anderem Thonhauser nachgesagt. Georg Pangl hat sein Interesse bereits öffentlich bekundet. Der Ex-Bundesliga-Vorstand möchte den Job allerdings hauptamtlich ausüben, wofür eine Strukturreform nötig wäre – und an echte Reformen, wie sie seit Jahren gefordert werden, ist im ÖFB in der momentanen Situation nicht zu denken.