Der Abgang kam unerwartet, darf aber als symbolisch für Martin Hinteregger geltend gemacht werden. Die Schlagzeilen, die der stets publikumsnahe Kärntner als Fußball-Profi geliefert hat, füllen wahrlich Bücher. Aus Salzburg verabschiedete sich der heute 29-Jährige ebenso in Ungnade wie vom FC Augsburg. Ein Video von einer feuchtfröhlichen Feier im Augsburger Trainingslager sorgte ebenfalls für Aufruhr, wie das Überziehen des Zapfenstreichs im ÖFB-Teameinsatz.
Einfach war es mit Hinteregger offenbar nie. Von seiner Kärntner Heimat Sirnitz aus zog es den jungen Kärntner mit 14 Jahren in die Akademie von Salzburg. Unter Huub Stevens absolvierte er seine ersten Einsätze in der Bundesliga, in der er im Herbst 2010 debütierte. Mit Salzburg sollte der Verteidiger nicht nur einen Titel feiern: Dreimal Meister, dreimal Cupsieger - aber auch ein Disput. Nach dem neuerlichen Aus in der Qualifikation zur Champions League 2015 äußerte Hinteregger öffentliche Kritik an der Mannschaft. Trainer Peter Zeidler war nicht erfreut.
Schon im darauffolgenden Winter erfolgte als Lösung des schwelenden Konflikts die Leihe zu Mönchengladbach, im Sommer darauf verabschiedete sich Hinteregger endgültig nach Deutschland: Augsburg holte den Innenverteidiger, der offenbar einen Transfer zu RB Leipzig kategorisch ausschloss. Er habe "eine Wut auf Leipzig gehabt, weil Salzburg symptomatisch kaputtgeht", erklärte Hinteregger wenige Wochen später. Ein Blatt vor den Mund nahm er sich selten.
Auch in Augsburg blieb dies nicht verborgen. Mit Coach Manuel Baum gab es Meinungsverschiedenheiten. "Ich kann nichts Positives, aber auch nichts Negatives über den Trainer sagen", sagte Hinteregger über den Coach, der ihn aufs Abstellgleis stellte. Eintracht Frankfurt unter Trainer Adi Hütter schlug im Winter 2019 per Leihvertrag zu. In Frankfurt wurde er zum Publikumsliebling. Bilder von "Hinti" mit einer Kiste Bier auf dem Weg in die Kabine sorgten für Sympathiepunkte. "We're Hinti Army now" sangen die Eintracht-Fans zu Ehren des Österreichers. Im Sommer musste Hinteregger nach Augsburg zurück. Es folgte ein Handy-Video des offenbar nicht mehr ganz nüchternen Profis bei einem abendlichen Ausflug während des Trainingslagers in Bad Häring (Tirol). Nach zähem Ringen holte die Eintracht Hinteregger dann fix.
Auch im Nationalteam feierte Hinteregger
Auch Österreichs damaliger Teamchef Franco Foda machte kurz darauf Bekanntschaft mit einem feiernden Hinteregger. Dieser überzog bei einer Feier zu seinem 27. Geburtstag den Zapfenstreich weit. Die Reise zum EM-Quali-Spiel in Polen am darauffolgenden Tag blieb Hinteregger daraufhin verwehrt. "Ich habe meinen Geburtstag zu einem ungünstigen Zeitpunkt gefeiert", sagte er später. Unter Foda blieb er danach aber Stammkraft.
Wie bei der enttäuschenden Endrunde 2016 gelang Hinteregger mit Österreichs Auswahl auch der Sprung zur EM 2021, wo im Achtelfinale gegen Italien Schluss war. Die Spiele unter Neo-Coach Ralf Rangnick verpasste er verletzungsbedingt. Gesehen habe er keines davon, sagte Hinteregger erst vor wenigen Tagen im "Standard"-Interview. Da köchelte bereits die Causa um eine öffentlich gewordene Zusammenarbeit mit Heinrich Sickl, der in Graz Räumlichkeiten an die rechtsextreme Identitäre Bewegung vermietet hatte, im Hintergrund weiter. Bei der Eintracht wurde dies interessiert verfolgt. Aus der Aussprache wurde am Donnerstag dann ein Rücktritt - auch in Frankfurt war die Überraschung groß.
Inwiefern das jüngste Kapitel in seiner Karriere noch Einzug in das von ihm mitgeschrieben Buch "Innensicht" finden wird, bleibt abzuwarten. Als Co-Autor schrieb Hinteregger u.a. darüber, wie er der drohenden Spielsucht entfliehen konnte oder wie ihn der Druck der Öffentlichkeit in ein tiefes, schwarzes Loch fallen ließ. Dem stehen Anekdoten entgegen, warum er eine Nacht im Aufzug verbrachte, oder wie er vor einem Spiel gegen Bayern München auf einer Rodel die Stiegen einer Kellerbar hinunterrutschte.
Langweilig war es in Hintereggers Fußball-Karriere nicht. Im "Standard" meinte er zuletzt über die Medienlandschaft: "Die wollen perfekte Profis wie einen Haaland und nicht welche, die aus der Maschinerie raustreten. Die mit Ecken und Kanten werden nicht mehr gewünscht, obwohl ich das gut finden würde, dass genau das gefördert wird."