Der Auftrag schien klar. Österreich sollte eingequetscht werden zwischen kroatischem Fan-Rock und erdrückenden, an Vicky Leandros angelehnten einlullenden Schlagerklängen. Doch die Einschüchterungsversuche musikalischer Natur vor dem Anpfiff verfehlten ihre Wirkung. Die Töne verhallten schnell über der nur aus dem Unterrang bestehenden antiken Arena von Osijek. Das Gästeteam war von Neo-Nationaltrainer Ralf Rangnick scharfgemacht worden, die Österreicher spitzten auf die Sensation und ließen sich nicht lumpen. Sie scheuten auch nicht das Spiel mit dem Feuer, was vorher war, wurde ins Reich der Vergessenheit geschickt, Risiko, was willst du mehr. Am Ende lag sich das rot-weiß-rote Team in den Armen – im Anschluss an einen letztlich souveränen 3:0-Auswärtssieg zum Start der Nations League.
Kommentar: Österreich wirkte wie ausgewechselt, als hätte jemand den Schalter umgelegt
Schon in den ersten Minuten der Premiere ließ das ÖFB-Team erkennen, dass es Rangnicks Wort halten will. Österreich stand hoch, Abwehrchef Gernot Trauner war an der Mittellinie postiert, das verstanden die Kroaten als Einladung, und die ließen sich nicht lange bitten. Durch ihre ausgeprägte Ballsicherheit kreierten sie immer wieder für Bedrängnis sorgende Situationen. Die österreichische Defensive setzte sich dabei mit Geschick und etwas Glück zur Wehr, und durfte auf Torhüter Heinz Lindner vertrauen, der die Schüsse der Gastgeber entschärfte. Immerhin konnten die in Schwarz gekleideten Rot-Weiß-Roten Nadelstiche setzen. Xaver Schlager erwies sich als Meister der Balleroberung, auf der linken Seite hatte Rangnick überraschend Andreas Weimann vom englischen Zweitligisten Bristol City aufgeboten, dieser erwies sich als variabel einsetzbar.
Kroatien spielte einige gute Chancen heraus, ließ diese jedoch ungenützt, Österreich hingegen erwies sich als ausgesprochen kaltschnäuzig und effizient, es ließ sich von der spielerischen Stärke der Hausherren nicht den Nerv ziehen. Im Gegenteil, es bewies Selbstsicherheit und Geistesgegenwart. Marko Arnautovic nahm kurz vor der Pause den Ball auf, legte einen Haken ein und vollstreckte zur überraschenden 1:0-Führung, es war sein 33. Treffer im 99. Nationalteamauftritt.
Doch nach der Pause war der 33-Jährige, weil mehrfach angeschlagen, nicht mehr dabei. Rangnick brachte mit Gregoritsch, Seiwald und Trimmel drei frische Kräfte und der Erstgenannte traf in der 54. Minute, als er eine von Wöber hervorragend inszenierte Aktion zum 2:0 perfekt abschloss.
Nun trat erstmals ein, was Rangnick ebenfalls versprochen hatte, nämlich die Kontrolle über das Geschehen und Sabitzer sorgte nach schönem Spielzug für das 3:0. Österreich rieb sich die Augen, die kroatischen Fans begannen zu pfeifen. Die Rangnick-Premiere ist geglückt. Schon am Montag muss die Tabellenführung verteidigt werden. Dann kommt Dänemark ins Ernst-Happel-Stadion – nach dem 2:1-Sieg in Frankreich mit viel Selbstvertrauen.
Hubert Gigler aus Osijek