Es wirkt fast schon unheimlich, dieses Dänemark. Heimlich geht ohnehin nichts, es liegt alles offen auf. Aus bisher sieben WM-Qualifikationsspielen hat das Fußballteam der Skandinavier das Maximum von 21 Punkten herausgeholt, und sie verknüpften die Ausbeute auch noch mit dem mehr als imposanten Torverhältnis von 26:0. Dazwischen absolvierte die Auswahl von Trainer Kasper Hjulmand eine Europameisterschaft mit dem Einzug ins Halbfinale. Und die halbe Fußballwelt, in Tagen wie diesen ganz besonders die österreichische, fragt sich: Wie machen sie das bloß, die Dänen? Denn sie kommen weitestgehend ohne die Überdrüber-Superstars aus.
Kommentar von Michael Lorber
Die Antwort auf diese knifflige Frage liegt nicht allein hinter der fußballerischen Auslage verborgen, sie ist wesentlich tiefer verwurzelt. Denn das Land ist generell gekennzeichnet durch eine alle gesellschaftlichen Bereiche erfassende Solidarität. Laut offiziellen Angaben der dänischen Gesundheitsbehörde sind (Stand 11. Oktober) bereits mehr als 85 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Corona geimpft. Das hatte zur Folge, dass mittlerweile - von Ausnahmen abgesehen - beinahe sämtliche Beschränkungen aufgehoben wurden. Die Dänen scheinen zu wissen, dass sich die Freiheit in diesem Fall auch injizieren lässt. Österreich hält derzeit bei einer Impfquote von 61,34 Prozent.
Das gemeinschaftliche Denken richtet sich aber nicht nur nach innen, sondern wird auch stark von weltoffenem Charakter geprägt. Dänemark gehört - bezogen auf die Bevölkerung - zu den größten Entwicklungshilfe-Geberländern der Erde. Andererseits rückt das Volk ganz eng zusammen, wenn ein Einzelschicksal die Nation erfasst wie am Beispiel des Christian Eriksen eindrucksvoll zu verfolgen war. Der von einer schier unglaublichen Emotionalität getragene Zusammenhalt trug gewiss wesentlich zum EM-Erfolg des Nationalteams bei. Und in der Fußballauswahl manifestiert sich der Grundgedanke: Stark macht das Kollektiv.
Jahrelange Aufbauarbeit
Der Wiederaufstieg der Dänen im Fußball hat natürlich eine Vorgeschichte. "Er beruht auf jahrelanger harter Arbeit. Viele junge Spieler haben schon in sehr jungen Jahren bei ihren Klubs die beste Erziehung genossen", sagt Teamchef Hjulmand, der auch auf die hohe Qualität der Weiterentwicklung der größten Talente verweist. Die Nationalauswahl wird nicht nur durch die fußballerisch Besten verkörpert, die Spieler müssen auch ideell zusammenpassen. "Meine Vorgänger haben eine Mannschaft mit großartigem Teamgeist aufgebaut", beweist auch Hjulmand gemeinschaftliche Souveränität. "Dazu kommt die Qualität der Spieler und wie sie sich verhalten. Es war eine lange Reise."
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Spieler tummeln sich, fast unbemerkt von der hiesigen Öffentlichkeit, bei Spitzenklubs in den europäischen Topligen. Österreich wird extrem stark geprägt von der deutschen Bundesliga, Dänemark kann sich auf europäische Breite berufen, Spieler wie Andreas Christensen (Chelsea), Simon Kjaer (Milan), Yussuf Poulsen (Leipzig) oder Daniel Wass (Valencia) lassen verschiedene Stile einfließen, die ein wirkungsvolles Konglomerat ergeben. Die Österreicher müssen hoch konzentriert sein.