Es hat schon staatstragenden Charakter, so ein Fußballmatch von übergeordneter Bedeutung. Der Verkehr kommt zum Erliegen, weil der gesamte Bereich rund um den Arcul de Triumf polizeilich abgeriegelt wird. Wenige Minuten später quert der Austria-Euro-Bus mit der rot-weiß-roten Nationalmannschaft den Kreisverkehr, wohlbehütet von einer Blaulicht-Eskorte. 25 Stunden noch, dann kommt das große Spiel gegen die Ukraine, die über Aufstieg ins Achtelfinale oder Heimreise von der Euro befinden wird. Auf dem neuen, schmucken Übungsplatz, den das österreichische Fußballteam kurzfristig für das Abschlusstraining ausgewählt hat, tastet Franco Foda minutenlang behutsam den Rasen ab, als würde er hineinhorchen und darauf warten, dass etwas zurückkommt. Vielleicht übermannt sie den Teamchef ja noch, die ultimative, alles regelnde Eingebung. Einige Minuten unterhält sich Foda gesondert mit Marko Arnautovic, dem designierten Heilsbringer, aber der Nationaltrainer weiß, wie alle anderen acht Millionen österreichischen Teamchefs auch, dass es zehn andere gibt, die den Ball ins Rollen bringen können.
Keine Überraschung brachte die Information Fodas mit sich, wonach Arnautovic in der heutigen Startelf stehen wird. Die zuletzt gezeigten Leistungen der ÖFB-Offensive ließen nämlich gelinde gesagt zu wünschen übrig. Sowohl Sasa Kalajdzic als auch Michael Gregoritsch wurden in der Startelf auf diesem Niveau die Grenzen aufgezeigt. „Überraschungen sind aber dennoch durchaus möglich“, ließ Foda, der wieder auf den zuletzt angeschlagenen Julian Baumgartlinger (Leistenverletzung) zurückgreifen kann, anklingen. Das könnte sich vor allem auf die Formation beziehen. Die Ukraine vertraut im Gegensatz zu Nordmazedonien und der Niederlande nicht auf eine Dreier- sondern Viererabwehrkette.
Gegen das 4-1-4-1 der Mannschaft von Trainer Andrij Schewtschenko dürfte auch Österreich wieder auf eine Viererabwehr bauen. Mangels geeigneter Alternativen wird es abgesehen von Arnautovic statt Gregoritsch eher nicht zu vielen Umstellungen kommen. Daniel Bachmann Stefan Lainer, David Alaba, Xaver Schlager, Konrad Laimer, Marcel Sabitzer und Christoph Baumgartner gelten formationsunabhängig als gesetzt. Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger spüren zumindest den Atem von Philipp Lienhart, der zuletzt staubtrockene Partien ablieferte. Bei einem 4-2-3-1 würde für den fehleranfälligen Andreas Ulmer wohl kein Platz sein. Alaba wäre links hinten der geeignetere Gegenspieler von Andrij Jarmolenko, der mit seinen Tempodribblings für Furore sorgen kann. Zentral im Mittelfeld könnte neben Schlager der spielstarke Florian Grillitsch in die Startelf rücken. Laimer und Baumgartner bleiben nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Valentino Lazaro wohl die einzigen Alternativen auf den offensiven Flügeln.
Auf dem Spiel steht sehr viel. Erstmalig könnte der Aufstieg in das Achtelfinale für die Österreicher gelingen. „Wir müssen dieses Endspiel gewinnen, um Zweiter zu werden. Das ist von der ersten Minute an unser Ziel“, sagt Foda, der vor den bisherigen Torschützen des heutigen Kontrahenten warnt. „Mit Jarmolenko und Jaremtschuk, die bei der EM schon je zwei Tore erzielt haben, hat die Ukraine große Qualität in der Offensive.“ Die gilt es heute auch für Österreich abzurufen – nicht nur von Arnautovic allein. Foda: „Mehrere Spieler müssen Verantwortung übernehmen und es im letzten Drittel besser machen.“ Vielleicht bringen heute die rot-weiß-roten Dressen Glück für Österreich.