Sie haben sich am 23. Jänner eine Kreuzbandverletzung im Knie zugezogen. Am Samstag haben Sie Ihr Bundesliga-Comeback absolviert. Was ist in diesen 119 Tagen passiert?
JULIAN BAUMGARTLINGER: Ich habe viel erlebt in dieser Zeit. Es war körperlich eine anstrengende Zeit, aber noch viel mehr für den mentalen Bereich. Die Art und Weise der Operation und der Reha war relativ neuartig. Der Zeitplan war ambitioniert, aber dadurch, dass ich die Fortschritte stetig gemerkt habe, war alles einfacher. Auch dank des unglaublichen Rückhalts meiner Familie. Das hat mir enorm geholfen. Denn die Wochen, in denen ich auf Krücken gehen musste, waren auch für sie nicht leicht.
Fußball-Österreich fragt sich: Wie fit sind Sie?
Spiele sind das Einzige, das mir fehlt. Die Tests in allen Bereich sind super. Deshalb bin ich auch so früh ins Mannschaftstraining eingestiegen und weil es dort so gut gelaufen ist, bin ich am Samstag in den Kader gerutscht.
Inwiefern spielt die Angst im Hinterkopf mit?
Ich habe überhaupt keine Zweifel - im Gegenteil. So perfekt habe ich mich physisch noch nie auf ein Turnier vorbereiten können. Ich habe noch eine Woche bis zum ersten Freundschaftsspiel und zweieinhalb Wochen bis zum ersten EM-Spiel. Jetzt gilt es Spielpraxis zu sammeln und dann zu schauen, wofür es reicht. Aber ich fahre mit einer unglaublichen Energie zur EM. Für mich ist das ein Riesenbonus.
Wäre Ihr schneller Comeback-Plan ohne die EM gleich gewesen?
Es kann schon sein, dass ursprünglich das Ziel für mich, bei der EM unbedingt dabei sein zu wollen, der Hauptinitiator war. Aber für mein Knie war dieser Weg alternativlos, wenn ich zurückschaue.
Bei der EM werden zahlreiche Stars auf Grund von Verletzungen fehlen bzw. kehren nach einem langen Ausfall zurück. Inwieweit haben der straffe Terminplan und die damit verbundenen fehlenden Pausen damit zu tun - auch bei Ihnen?
Man stellt sich oft die Frage, wo Verletzungen herrühren. Aber wenn es so lange durchgeht und es keine Regenerationsphasen gibt, ist es definitiv ein Faktor. Da wird der Körper irgendwann einmal schwach. Auch der Kopf wird so leichter müde. So einen straffen Terminplan hat es noch nie gegeben.
Sie waren 2016 wie acht andere Spieler des 30-Mann-Kaders, der noch um vier Spieler reduziert wird, bei der letztlich enttäuschenden EM schon mit dabei. Mit welcher Erwartungshaltung gehen Sie in die heurige EM?
Unser Kader ist wie schon 2016 sehr gut bestückt. Ich hoffe, dass alle auf den Punkt fit sind. Wenn wir es dann schaffen, befreit aufzuspielen, habe ich keine Angst. Die Frage wird nämlich sein: Wie starten wir ins Turnier? Nordmazedonien ist auf dem Papier der Gegner, den man schlagen will und den man schon geschlagen hat. Das Auftaktspiel wird auch entscheidend sein, um nicht direkt mit dem Rücken gegen die Wand zu stehen. Die Ausgangsposition ist sehr gut, aber die haben wir schon öfters gehabt.
Zum Beispiel 2016, als die Euphorie im Vorfeld trotz etlicher Warnsignalen in den Testspielen ins Unermessliche gestiegen ist. Was nimmt man von damals mit?
Wir werden die Fehler, die wir 2016 gemacht haben, definitiv nicht noch einmal machen. Das kann ich versichern. Keiner wird das zulassen - egal ob Spieler, Betreuer oder sonstige Verantwortliche. Das haben wir von damals schon mitgenommen. Mit Floskeln wie "Wir werden den Schalter schon umlegen" habe ich 2016 schon nichts anfangen können. Jetzt sind sie ein absolutes No-Go. Das war auch die Mär, die uns vielleicht die größten Probleme bereitet hat.
Welches Ziel haben Sie für die EM?
Ich bin sehr optimistisch. Wir haben eine hungrige Truppe, die gut und breit besetzt ist. Der erste Schritt ist es, aus der Gruppenphase aufzusteigen und in das Achtelfinale zu kommen. Das wird schwierig genug. Aber das muss das Ausgangsziel sein. Sonst bräuchten wir gar nicht hinfahren.