Das Länderspieljahr 2020 ist nach dem 1:1 gegen Norwegen und dem damit verbundenen Sieg in der Nations-Leauge-Gruppe B1 zu Ende. Zeit, um eine Bilanz zu ziehen, bevor am 7. Dezember die Auslosung für die WM-Qualifikation erfolgt, die Ende März 2021 mit einem Dreierpack beginnt.
Das Ergebnisdenken: In den acht Spielen gab es sechs Siege bei einem Remis und einer Niederlage. Ein für das Gemüt des Österreichers bisweilen wünschenswertes Fußballfeuerwerk war aber nicht darunter, denn es gelang kein Erfolg mit mehr als einem Tor Differenz. Der gebetsmühlenartig vorgetragene Verweis der Beteiligten auf das positive Endresultat reicht zur Entschuldigung für mangelhafte Darbietungen ebenfalls nicht aus. Denn meist ging dies einher mit der Erklärung einer tadellosen Defensivleistung („Wir haben fast nichts zugelassen.“). Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Qualität jener Nationen bei der EM-Endrunde und dann vor allem in der Topklasse der nächsten Nations League eine höhere sein wird. Überdies haben so manche Partien auch die Fehleranfälligkeit in der Defensive offengelegt. Hier ist anzusetzen, um nicht einem Trugbild auf den Leim zu gehen. In puncto Gegentore steht Österreich im internationalen Vergleich dennoch relativ gut da.
Personalqualität: Gerne wird über die immense Qualität im ÖFB-Kader gesprochen, untermauert durch die hohe Anzahl an Legionären. Es handelt sich aber eher um einen breiten Kader, der auf einem guten bis mäßigen Niveau abliefern kann, ganz gewiss aber nicht im Weltklassebereich. Weder verfügt das ÖFB-Team über einen Stürmer (Comebackler Marko Arnautovic verfügt über reichlich individuelle Qualität, es mangelt aber an der Effizienz) noch über einen Flügelspieler auf Topniveau – Gnabry, Mbappe, Kane, Lukaku, Ronaldo oder Bale lassen grüßen. Nur Leipzig-Kapitän Marcel Sabitzer und Bayern-Akteur David Alaba schnuppern dank ihrer Leistungen im Klub an der Weltklasse, müssen für Rot-Weiß-Rot jedoch auf anderen Positionen als im Klub spielen, weil es an Alternativen mangelt. Überhaupt gibt es jede Menge Akteure, die ihre Stärken gegen den Ball haben, aber nur wenige, die für den Ballbesitzfußball gemacht sind. Gerade gegen die destruktiven Gegner in dieser Nations League wirkte sich das massiv aus. Insgesamt konnte am ehesten noch Stefan Lainer, der die meisten Einsatzminuten bekam, überzeugen. Torhüter Pavao Pervan, der bei Wolfsburg nur Ersatz ist, dürfte in der Poleposition für die Nummer eins sein. Die vermeintlichen Leistungsträger Martin Hinteregger, Xaver Schlager, Alaba und Sabitzer wurden ihrer Rolle zuletzt nicht gerecht.
Debütanten: Mit Adrian Grbic, Christoph Monschein, Marco Friedl, Raphael Holzhauser, Christoph Baumgartner, Sasa Kalajdzic, Husein Balic und Philipp Wiesinger gab es acht neue Gesichter im ÖFB-Trikot zu sehen. Vollauf überzeugen konnte mit Baumgartner nur das Teamküken (21). Grbic war mit vier Treffern der torgefährlichste Spieler, vergab aber auch sehr viele Topmöglichkeiten. Der Rest empfahl sich (noch) nicht für die Startelf.
Absteigende Leistungskurve: Nach der monatelangen Zwangspause hatten die Spieler im September so richtig Lust auf das Nationalteam bekommen. Dieser Heißhunger machte sich in den ersten Spielen bemerkbar. Im Oktober verstärkten sich abschnittsweise Anzeichen eines Sättigungsgrades, der im November in Appetitlosigkeit umzuschlagen schien. Die Gründe für das abfallende Leistungsniveau sind die viel zitierte Überbelastung,aber auch die sich zusehends bemerkbar machenden Unlustgefühle. Auch die zuletzt unablässige Favoritenrolle ist offenbar mehr Bürde als Würde, über gewonnene Ballbesitzstatistiken kam das Team oft nicht hinaus. Teamchef Franco Foda zog nach dem 1:1 gegen Norwegen erste Schlüsse Richtung Zukunft: „Die Erkenntnis ist, dass wir vielleicht doch mehr rotieren müssen, wenn die Spieler überstrapaziert sind.“
Der Teamchef: Franco Foda ist mit im Schnitt 2,10 Punkten nach 30 Spielen der erfolgreichste ÖFB-Teamchef aller Zeiten. Der Stagnation mit Fortdauer des Länderspielherbstes konnte aber auch der 54-Jährige nicht entscheidend entgegenwirken. Seine natürlich auch der Pandemie geschuldete Personalauswahl fiel nicht immer glücklich aus. In zahlreichen Spielen ließ Foda seinem Hang zu mitunter übertriebenem Sicherheitsdenken freien Lauf. Die mentale Bremse erreichte ihren Höhepunkt zum Schluss, als der Teamchef auch in der Startelf gegen die Norweger auf einen zweiten Stürmer verzichtete. Mehr Mut wäre, bei allem Verständnis für Fodas Vorsicht und Sorgfalt, manchmal wünschenswert. Mit einigen Einwechslungen, am deutlichsten erkennbar im Heimspiel gegen Nordirland, bewies Foda aber durchaus Geschick. Seine Ankündigung, im nächsten Jahr Veränderungen anzustreben, mag als Hinweis auf stärkere Flexibilität in der Vorgangsweise auszulegen sein.