Am Sonntag spielten Sie um 18 Uhr noch mit Eintracht Frankfurt gegen Bremen (2:2). Wann sind Sie denn beim Nationalteam eingetroffen?
MARTIN HINTEREGGER: Ich bin direkt nach dem Spiel nach Wien geflogen. Jetzt absolviere ich noch einige Regenerationseinheiten. Spätestens beim Abschlusstraining am Mittwoch bin ich wieder voll mit dabei.
Gegen Polen hat Trainer Franco Foda ja auf Sie verzichtet, stattdessen Stefan Posch eingesetzt. Rechnen Sie sich Chancen auf die Startelf aus?
„Poschi“ hat es gegen Polen richtig gut gemacht. Generell sind wir in Österreich auf der Innenverteidiger-Position sehr gut aufgestellt, müssen uns da keine Sorgen machen. Ich bin selbst schon gespannt, wie der Teamchef aufstellen wird.
ÖFB-Präsident Leo Windtner meinte zuletzt: „Jeder kann einen Bock schießen, aber die Anzahl der Böcke ist entscheidend.“ Stimmen Sie dem zu?
Ja, da hat er sicher recht. So ziemlich jedem Menschen passieren Fehler. Man sollte eben tunlichst danach trachten, nicht zu viele zu machen. Und vor allem danach, nicht nochmals den gleichen zu machen.
So wie den nächtlichen Ausflug nach dem Lettland-Länderspiel, der die Suspendierung für das Polen-Spiel zur Folge hatte?
Ich habe mich bis zu diesem Moment öffentlich nicht dazu geäußert. Das tue ich jetzt: Ja, es stimmt, ich habe meinen Geburtstag gefeiert, zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Es tut mir leid. Ich habe meine Lehren daraus gezogen. Das Wichtigste: Mannschaft und Trainer haben meine Entschuldigung akzeptiert. Damit ist das Thema für mich auch erledigt – endgültig.
Aber hat man als Profi nicht auch eine Vorbildfunktion?
Natürlich! Wir stehen im Rampenlicht, in der Öffentlichkeit. Wir müssen uns dieser Funktion selbstverständlich bewusst sein. Dennoch sollten wir alle zusammen ehrlich sein: Wir träumen immer von der Idealvorstellung, von der perfekten Welt. Die gibt es aber nicht. Praktisch jeder Mensch macht Fehler, beruflich wie privat. Das passiert, so ist das Leben. Wären im Fußball alle fehlerlos, würde ja jede Partie 0:0 enden.
Es scheint, dass die Öffentlichkeit Ihnen schon ein ganz bestimmtes Image zurechnet, oder?
Jeder, der mich auch nur ein bisschen kennt, weiß, dass ich absolut umgänglich bin. Klar: Wie wir Spieler im Fußball müssen sich auch Medien in ihrer Branche behaupten. Sie machen ihren Job, suchen ihre Story. Vielleicht bin ich ja interessant, weil ich anders bin als andere Fußballprofis ...
... die oftmals in extravaganten Outfits und sündteurer Designermode alle Klischees erfüllen.
Leider kommt in unserer Gesellschaft der Respekt oft zu kurz. Gucci-Toiletttaschen oder Modefriseure sind nicht meine Welt. Ich lass mir meine Haare um 15 Euro beim Friseur ums Eck schneiden und habe – wie ja mittlerweile alle wissen – einen Eintracht-Frankfurt-Rucksack. Aber dennoch respektiere ich auch den anderen Weg. Jeder hat sein eigenes Leben. Jeder trägt selbst die Verantwortung, was er daraus macht. Oft wird aber doch zu sehr aufgebauscht, wie zuletzt bei Marco Reus.
Reus ließ nach dem Spiel von Dortmund gegen Frankfurt seinen Emotionen freien Lauf, antwortete auf Fragen eines Journalisten mit: „Kommt mir jetzt nicht mit eurer Mentalitätsscheiße.“
Ich habe das Interview gesehen, fand es wirklich nicht schlimm. In Deutschland ging es aber quer durch alle Medien. Da ist dann auch nachvollziehbar, wenn sich manche Spieler in der Öffentlichkeit zurückhalten und nur noch mit Allgemeinfloskeln antworten.
Dürfen Fans Sie ansprechen, wenn Sie in der Früh in der Bäckerei Brot holen?
Selbstverständlich! Ich bin Fußballprofi, ja, aber einer von nebenan. Ich nehme mir – vielleicht nicht unbedingt vor einem Spieltag – die Freiheit, auch einmal an der Würstlbude zu stehen. Warum auch nicht? Ich rede sehr gerne mit den Fans. Natürlich hab aber auch ich – so wie jeder von uns – gute und schlechte Tage. Die Fans sollen mir bitte nicht böse sein, wenn ich vielleicht nicht immer und überall über ein Spiel sprechen oder Selfies machen will.
Die Fans lieben Sie sogar, weil Sie sind, wie Sie sind. Stimmt die Geschichte, dass Sie einen Anhänger sogar chauffiert haben?
Ja. Nach dem Spiel gegen Dortmund standen einige Fans bei der Tiefgarage, wollten Autogramme. Ich hab die Fensterscheibe heruntergelassen. Einer hat gemeint: „Ist zwar eine blöde Frage, aber kannst du mich bitte ein Stück mitnehmen? Ich bin aus Hoffenheim und weiß sonst ehrlich nicht, wie ich heimkomme.“ Ich hab den Beifahrersitz geräumt und gesagt: „Klar, spring rein.“ Und ihn dann ein Stück in Richtung Bahnhof mitgenommen.
Und zudem noch eine Freundin von ihm angerufen?
Ja. Er hat gemeint, sie und ihre Kinder wären die größten „Hinti“- und „Hinti-Army“-Fans. So einen Wunsch kann ich doch nicht abschlagen.
Die Frankfurter Fans werden sich also noch lange mit Ihnen „herumschlagen“ müssen?
Ich habe vor, länger hierzubleiben, und mir sogar in der Nähe des Stadions ein Haus gekauft.
Die Fußball- und auch Eishockeyfans in der Heimat wird das weniger freuen.
Meine Hobby-Karriere zu Hause beim HC Köttern ist sprichwörtlich auf Eis gelegt. Sollten es meine Knie zulassen, wird es in sechs, sieben Jahren ein Comeback geben. Hier in Frankfurt hab ich aber schon den Kontakt mit den Frankfurter Löwen gesucht, mir auch schon einige Spiele angesehen. Gut möglich, dass ich heuer noch für ein paar Einheiten aufs Eis gehen werde.
Vorrangig wird aber Fußball gespielt. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die beiden Länderspiele am Donnerstag gegen Israel und Sonntag in Slowenien?
Das sind für uns ganz klar zwei Schlüsselspiele. Wir wollen unbedingt zur Europameisterschaft, haben alles selbst in der Hand, können zumindest Gruppenzweiter werden. Gelingt es uns, unser Potenzial abzurufen, sind zwei Siege durchaus realistisch.
Sie haben im Nationalteam bisher drei Tore erzielt: 2016 gegen Georgien, 2017 gegen Irland, 2018 gegen Deutschland, 2019 wäre also noch offen, oder?
Vier Chancen hab ich ja noch. Ich war heuer schon mehrmals nahe dran. Auch bei der Eintracht, wo mein Treffer in der ersten Runde gegen Hoffenheim auch mein bisher einziger war. Wenn sich eine Chance ergibt, werde ich aber nicht zögern, sie zu nützen.
Sie werden seit Kurzem vom international renommierten Spielerberater Christian Sand unterstützt?
Christian hatte maßgeblichen Anteil daran, dass im Sommer der Transfer von Augsburg zu Eintracht Frankfurt geklappt hat. Ich fühle mich von ihm sehr gut unterstützt. Außerdem teilen wir ein Hobby. Wir sind beide passionierte Jäger, haben daher über den Fußball hinaus auch genügend Gesprächsstoff.