Der heiße Herbst steht in der EM-Qualifikation bevor. Gegen Lettland gilt es, einen Pflichtsieg einzufahren, und jeder Punktgewinn in Polen wäre ein Bonus – sehen Sie das anders?
FRANCO FODA: Im heutigen Fußball gibt es keine Pflichtsiege mehr. Alle Nationen haben im technischen, taktischen und athletischen Bereich aufgeholt. Aber klar: Wir haben qualitativ die bessere Mannschaft und wenn wir uns für die EM-Endrunde 2020 qualifizieren möchten, sollten wir dieses Heimspiel gewinnen.
Inwiefern bleibt aber Polen der übermächtige Konkurrent in dieser Gruppe?
Es stand immer außer Frage, dass Polen der Favorit in dieser Gruppe ist. Diese Mannschaft hat lauter Weltklassespieler in der Offensive. Aber unerreichbar sind sie auch nicht. Im Heimspiel haben wir gezeigt, dass wir auf Augenhöhe sein können. Wir haben durchaus die Möglichkeit, auch in Polen zu bestehen und drei Punkte zu holen.
Was sind die Grundvoraussetzungen dafür?
Wir können nur dann bestehen, wenn jeder bereit ist, an die Schmerzgrenze zu gehen. Jeder muss seine optimale Leistung abrufen. Nur wenn wir uns genau so als Team präsentieren wie in den letzten beiden Länderspielen (Slowenien/1:0, Nordmazedonien/4:1, Anm.), können wir erfolgreich sein. Wir müssen gemeinsam extrem gut gegen den Ball arbeiten und alle müssen sich am Angriffsspiel beteiligen. Jeder muss bereit sein, für seinen Mitspieler mitzudenken und mitzulaufen. Genau darauf werden wir in der Trainingswoche auch Wert legen. Du kannst nur mit Tempo Fußball spielen, wenn du auch mit Tempo trainierst.
In welchen Bereichen gibt es das größte Verbesserungspotenzial?
Wir müssen die Effizienz bei der Chancenverwertung erhöhen. Da haben wir in allen Spielen der EM-Qualifikation viel liegen gelassen. An Zielstrebigkeit, Konsequenz und Konzentration beim Torabschluss gilt es zu arbeiten. Aber wir müssen auch in der Defensive noch konzentrierter zu Werke gehen und diese leichtsinnigen Fehler abstellen. Wir bekommen oft zu einfache und unnötige Gegentore. Und dann wollen wir noch das Passtempo und die Passqualität erhöhen, damit wir noch schneller und direkter nach vorne spielen.
„Vorne“ ist ein gutes Stichwort. Inwiefern bedauern Sie den Teamrücktritt von Guido Burgstaller?
Das ist sehr schade für uns, weil Guido ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft und auch für das Teamgefüge ungemein wertvoll war. Auch wenn er nur zwei Tore erzielen konnte, hat er das Nationalteam mit ungeheurem Engagement bereichert.
Sie haben aktuell mit Marko Arnautovic, Michael Gregoritsch, Karim Onisiwo und Lukas Hinterseer vier Stürmer im Kader. Wem trauen Sie dahinter den Sprung ins Nationalteam zu?
Sasa Kalajdzic ist ein sehr interessanter Spieler. Leider hat er sich am Kreuzband verletzt und fällt lange aus.
Gegen Lettland wird definitiv ein Spieler seine Teampremiere feiern, weil Cican Stankovic, Pavao Pervan oder Alexander Schlager das Tor hütet. Bereitet Ihnen das Kopfzerbrechen?
Ich habe da überhaupt keine Bedenken. Ich war schon bei Sturm Graz dafür bekannt, dass ich Spieler auf höchstem Niveau erstmals eingesetzt habe. Ich erinnere an Jürgen Säumel auswärts gegen Lazio Rom, Florian Kainz gegen Juventus Turin oder Dario Maresic in Salzburg. Irgendwann ist immer das erste Mal. Und ich habe zu allen drei Torhütern absolutes Vertrauen. Wer den besten Eindruck im Training hinterlässt, wird spielen.
In Wien wird es kein Nationalstadion geben. Was sagen Sie zur derzeitigen Fußball-Infrastruktur in Österreich?
Es wäre für das Nationalteam und auch alle Nachwuchsauswahlen extrem wichtig, dass die Infrastruktur verbessert wird. Eigene Trainingsplätze und ein Stadion, das man als echte Heimat bezeichnen kann, wären wichtige Bereiche, die es in den nächsten Jahren zu verbessern gilt.
Die Thematik Videobeweis sorgt derzeit für viel Diskussionsstoff. Wie stehen Sie dazu?
Alles, was den Fußball gerechter macht, ist positiv, auch wenn beim Videobeweis noch nicht alles perfekt läuft. Durch das teilweise längere Warten auf eine Entscheidung geht etwas die Emotionalität verloren. Ich bin ja auch ein emotionaler Typ, der sich über Tore freut. Wenn das dann zurückgenommen wird, ist es für Spieler, Trainer und Fans eine unangenehme Situation, weil du innerhalb von wenigen Sekunden unterschiedliche Gefühlswelten durchlebst. Aber ich bin Befürworter des Videobeweises. Mit ihm hätten wir im Heimspiel gegen Polen einen klaren Elfer für uns bekommen und einen Punkt geholt. Es geht in diesem Geschäft um Geld und Jobs. Deshalb wäre es auch wichtig, dass er überall zum Einsatz kommt – in Länderspielen genauso wie in der österreichischen Bundesliga.
Apropos: Wie sieht es eigentlich mit Ihrem Job aus? Ihr Vertrag läuft spätestens nach einer möglichen EM-Endrunde 2020 aus, also in weniger als einem Jahr. Das klingt nicht nach unbändigem Vertrauen seitens des ÖFB.
Bei Teamchefs ist es ganz normal, dass man die Qualifikationsspiele abwartet. Ich bin komplett entspannt und sehe darin nichts Außergewöhnliches. Ich habe das Gefühl, dass der ÖFB mit meiner Arbeit sehr zufrieden ist und spüre auch das absolute Vertrauen.