Bei Peter Schöttel ist in den kommenden Tagen diplomatisches Fingerspitzengefühl gefragt. Der ÖFB-Sportdirektor spielt im Zuge der Kaderzusammenstellung für die bevorstehenden EM-Qualifikationspartien des A-Teams eine ebenso wichtige Rolle wie bei der Nominierung des österreichischen Aufgebots für die U21-EM, und da gilt es mehrere Interessen zu berücksichtigen.
Schöttel muss mit Teamchef Franco Foda, U21-Coach Werner Gregoritsch und den Vereinen einen gemeinsamen Nenner finden, was aufgrund der Terminproblematik kein leichtes Unterfangen werden dürfte. Der Lehrgang der A-Nationalmannschaft für die Duelle mit Slowenien am 7. Juni und Nordmazedonien am 10. Juni beginnt am 3. Juni, zur selben Zeit geht die Vorbereitung der U21-Auswahl in die entscheidende Phase.
Die EM-Generalprobe der Gregoritsch-Truppe geht am 11. Juni gegen Frankreich über die Bühne. Am 17. Juni steigt Österreichs erstes Match überhaupt im Rahmen einer U21-EM in Triest gegen Serbien, weiter geht es in der Gruppenphase am 20. Juni gegen Dänemark und am 23. Juni gegen Deutschland jeweils in Udine.
Spieler in beiden Teams dabei
Trotz dieser Überschneidungen kann sich Schöttel vorstellen, dass Spieler zunächst im A-Team-Aufgebot stehen und danach zur U21-Mannschaft übersiedeln. "Das ist theoretisch möglich. Wir sind uns aber auch unserer Verantwortung bewusst und wissen, dass die EM am Ende einer langen Saison ist. Wir müssen auf unsere Spieler aufpassen und sind auch den Vereinen verpflichtet", sagte der Sportdirektor.
Ebendiese Vereine könnten dem ÖFB im Bestreben, ein möglichst schlagkräftiges Team zusammenzustellen, einen Strich durch die Rechnung machen - für die U21-EM besteht für die Clubs nämlich keine Abstellpflicht. "Doch wir sind permanent im Austausch mit den Vereinen", betonte Schöttel.
Nach den Angaben des Wieners gibt es von den heimischen Bundesligisten die Zusage, dass ihre Spieler bei der EM dabei sein können. Zudem erhielt Schöttel nach eigenen Angaben positive Signale im Zusammenhang mit Spielern wie Kevin Danso, Maximilian Wöber und Philipp Lienhart, wobei die beiden Letzteren derzeit nicht fit sind. Bei Konrad Laimer und Hannes Wolf gilt es eine Basis mit Leipzig-Sportchef Ralf Rangnick zu finden, im Fall von Valentino Lazaro deponierte Schöttel das ÖFB-Interesse bereits bei Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz.
All diese Profis verfügen über A-Team-Erfahrung und sind damit auch für Foda ein Thema. Dazu kommt, dass einige U21-EM-Anwärter im Sommer Transfers tätigen könnten, womit sich plötzlich die Ansprechpartner ändern würden. "Die Situation ist schwierig und herausfordernd, aber wir können froh sein, so ein Problem zu haben", meinte Schöttel. "Wichtig wird auch sein, dass die Spieler gegenüber ihren Vereinen klar kommunizieren, bei der EM dabei sein zu wollen."
Fodas Kader kommt im Mai
Am 28. Mai gibt Foda seinen EM-Quali-Kader bekannt, ein bis zwei Wochen davor ist ein Gespräch zwischen dem A-Teamchef, Schöttel und Gregoritsch geplant, in dem beide Kaderstrukturen erstellt werden sollen. "Wir wollen die Dinge im Vorfeld intern regeln", sagte Schöttel.
Dabei gibt es laut dem Sportdirektor keine Prioritäten, weder für das A-Team noch für die U21-Mannschaft. "Beides ist extrem wichtig. Auf der einen Seite brauchen wir dringend Punkte für die EM-Qualifikation, auf der anderen Seite sind wir erstmals bei einer U21-EM, die eine große Bühne für die Spieler ist", erklärte Schöttel.
Diese Bühne könnte unter anderem Sasa Kalajdzic nützen, der in den März-Testspielen gegen Italien und Frankreich jeweils eingewechselt wurde. Der Admira-Stürmer gilt nicht nur bei diversen Clubs aus dem In- und Ausland, sondern aufgrund seiner Vorfahren auch bei einem anderen Nationalverband als Objekt der Begierde. Schöttel führte mit dem 21-Jährigen bereits ein Gespräch, versicherte ihm dabei die Wertschätzung und das Interesse des ÖFB, bekam aber auch zu hören, dass es zwischen Kalajdzic und dem serbischen Verband Kontakt gibt. Eine endgültige Entscheidung hat der Zwei-Meter-Mann noch nicht getroffen.
Theoretisch könnte sogar die skurrile Situation eintreten, dass Kalajdzic in Österreichs EM-Auftaktmatch gegen Serbien mitwirkt - allerdings in der serbischen Elf. Selbst in diesem Fall wäre er für den ÖFB noch nicht verloren, denn erst ein Pflichtspiel auf A-Teamebene verhindert einen Nationenwechsel. Sollte also Kalajdzic vom ÖFB für die anstehenden A-Team-Partien nominiert werden, die Einladung annehmen und dann gegen Slowenien oder Nordmazedonien eingesetzt werden, wäre das Serbien-Thema vom Tisch.
Diese Variante ist für Schöttel allerdings nur schwer denkbar. "Er hat etwas Außergewöhnliches und ich hoffe, dass er irgendwann für unsere A-Nationalmannschaft spielt. Aber es wird nicht so sein wie in anderen Ländern, dass man einem Spieler ein, zwei Minuten im A-Team schenkt", beteuerte der 52-Jährige.