Am Donnerstag (20.45 Uhr) beginnt für Österreich die EM-Qualifikation mit dem Heimspiel gegen Polen. Österreichs Fußballfans träumen von der dritten EM-Teilnahme. Wie sehen die Träume des Kapitäns aus?
JULIAN BAUMGARTLINGER: Man darf ruhig optimistisch sein und einen gewissen Anspruch haben. Aber auf uns warten schwierige Aufgaben. Wir haben in der WM-Qualifikation am eigenen Leib erfahren müssen, dass Kleinigkeiten entscheiden. Eine Endrunde ist für Österreich nicht selbstverständlich. Das, was wir vor vier Jahren erreicht haben, war außeraußeraußergewöhnlich. Dieser Erfolg war mit einer starken mannschaftlichen Leistung, dem nötigen Glück und dem richtigen Spielverlauf verbunden. Wenn das alles wieder in Einklang ist, können wir auf jeden Fall in die Top zwei kommen.
Sie haben zuletzt wegen eines Nasenbeinbruchs mehr als fünf Wochen mit Maske spielen müssen. Wie geht es Ihnen damit?
BAUMGARTLINGER: Es ist alles ausgeheilt. Gegen Polen werde ich erstmals wieder von Beginn an ohne spielen. Die Maske hat mich zwar weder eingeschränkt noch gestört und auch gut in die Faschingszeit gepasst (lacht). Aber ich bin nicht unglücklich, sie wieder los zu sein.
In Leverkusen haben Sie eine turbulente Zeit hinter sich. Nachdem Sie nach der Winterpause unter Neo-Trainer Peter Bosz nicht zur Startelf gehört haben, sind Sie mittlerweile unumstrittene Stammkraft. Warum war das so?
BAUMGARTLINGER: Wir haben das System etwas umgestellt. Als Ergänzungsspieler musste ich mich ein paar Wochen gedulden. Was nicht einfach ist und einen natürlich beschäftigt. Aber ich habe recht bald meine Chancen bekommen und diese auch genützt. Auch wenn wir zuletzt in Bremen verloren haben, sind die Top vier in der Bundesliga weiter möglich.
Der heutige Fußball ist geprägt von Ungeduld. Welche Probleme treten da für Spieler auf?
BAUMGARTLINGER: Es ist für Vereinsführung, Trainer und auch Spieler sehr schwierig. Die Gesellschaft ist um einiges schnelllebiger geworden, das wirkt sich auch auf das Fußballgeschäft aus. Dadurch kommt es auch häufiger zu Veränderungen, weil alle schneller unzufrieden sind. Das könnte tendenziell sogar noch zunehmen. Als Spieler versuche ich, möglichst handlungsfähig zu bleiben. Wenn man länger nicht spielt, kann das eine Kettenreaktion auslösen. Du verlierst deinen Rhythmus, deine Form, eventuell deinen Platz im Nationalteam, dein Selbstvertrauen und dein Marktwert leiden. Man kann von einem auf den anderen Tag nicht mehr zum Einsatz kommen, weil ein neuer Trainer oder ein neuer Sportdirektor im Amt ist.
Sebastian Prödl ist aktuell Opfer dieser Problematik. Obwohl er in Watford keine Chance erhält, ist er im Nationalteam mit dabei. Was hat die Mannschaft davon?
BAUMGARTLINGER: Spieler mit dieser Erfahrung sind nach dem Umbruch, den wir erlebt haben, sicher kein Nachteil. Es ist extrem wichtig, Führungsspieler an Bord zu haben. Als ich das erste Mal im Team dabei war, habe ich auch von Martin Stranzl oder Alex Manninger, zu denen ich aufgeschaut habe, profitiert.
Was halten Sie von der Aktion, dass Teamchef Joachim Löw das Bayern-Trio Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller aus dem deutschen Nationalteam ausgebootet hat?
BAUMGARTLINGER: Dass man Spieler nicht einberuft, ist das eine. Ich verstehe aber die Endgültigkeit nicht, mit der hier aussortiert wurde. Wenn man auf einen Topspieler wie Mats Hummels verzichten kann, ist das aller Ehren wert (schmunzelt).
Der deutsche Fußball steht aufgrund der Tatsache, dass kein Klub mehr im Viertelfinale der Champions League vertreten ist, unter massiver Kritik. Was halten Sie davon?
BAUMGARTLINGER: Einen Trend sehe ich wegen einer Saison nicht. Wenn das über fünf Jahre so sein sollte, dann ja. Real Madrid ist auch im Achtelfinale ausgeschieden, obwohl sie zuvor drei Mal die Champions League gewonnen haben. Was dazukommt: Deutschland ist gegenüber anderen Topnationen wegen der 50+1-Regel im finanziellen Bereich limitiert. Dass das Financial Fair Play in Europa schief hängt, wissen alle.
Wie gefällt Ihnen die Bundesliga-Reform in Österreich?
BAUMGARTLINGER: Ich finde die Entwicklung positiv und verfolge die Bundesliga auch regelmäßig. Stand jetzt entsteht viel mehr Spannung und die Punkteteilung bringt noch einmal richtig Brisanz rein – für fast alle Vereine.
Was sagen Sie eigentlich zu den Dopingvorfällen, die bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld ihren Ursprung genommen haben?
BAUMGARTLINGER: Es gibt in fast allen Sportarten schwarze Schafe, die versuchen, zu betrügen. Doping ist allgegenwärtig und das wird leider vermutlich auch so bleiben.
Inwiefern hat die Gesellschaft ihren Anteil an dieser Problematik, indem sie nach Erfolgen lechzt?
BAUMGARTLINGER: Natürlich sind das die Geister, die wir in unserer leistungsorientierten Gesellschaft selber rufen. Das heißt im Umkehrschluss aber für mich nicht, dass der Zweck die unerlaubten Dinge heiligt. Das ist eine selbstgerechte Ausrede und ein zu billiges Alibi.
Sind Sie froh, dass Sie sich dafür entschieden haben, Fußballspieler und nicht Zehnkämpfer zu werden?
BAUMGARTLINGER: Das war damals nicht der Intention geschuldet, es nicht sauber schaffen zu können. Ich bin der Überzeugung, dass man seine Potenziale so weit ausschöpfen kann, um in gewissen Sportarten an die Weltspitze zu kommen. Ich bin auch deshalb Fußballer geworden, um mit anderen Leuten zusammen etwas zu leisten. Etwas, was mir bis zum heutigen Tag Spaß macht – Teil einer funktionierenden Mannschaft zu sein! Im Fußball muss man auch nicht unter den Top Ten der Welt sein, um es nachhaltig betreiben zu können.
Wie sieht es mit der Sinnhaftigkeit von Doping im Fußball aus?
BAUMGARTLINGER: Fußball ist eine Sportart, in der man in so vielen Bereichen eine Spitzenleistung abrufen muss, dass eine rein physische Leistungsoptimierung nicht ausreicht. Klar kann es helfen, fitter zu sein und besser zu regenerieren. Aber dadurch, dass der Fußball so viel mehr Faktoren wie Taktik, Technik, mentale Eigenschaften und Persönlichkeit beinhaltet, ist es wohl noch nicht so verbreitet wie in anderen Sportarten.