Sie starten am Donnerstag gegen Polen in Ihre erste EM-Qualifikation. Inwiefern haben Sie dem Team in den Test- und Nations-League-Spielen all Ihre Vorstellungen einimpfen können?
FRANCO FODA: Wir wollten flexibler und variabler spielen. Das haben wir den Spielern vermittelt. Mechanismen und Automatismen sind verinnerlicht. Wir haben uns zwei bis drei Systeme erarbeitet, aber die taktische Ausrichtung ist immer die gleiche. Wir wollen selbst aktiv sein, nach Ballverlust schnell auf Defensive umschalten, ins Gegenpressing kommen, den Gegner früh anlaufen und nach Ballgewinn schnell nach vorne spielen. Aber wenn es notwendig ist, wollen wir uns auch mal tief und kompakt in der eigenen Hälfte zurückziehen und auf Kontersituationen lauern.

Sie haben als Teamchef acht Siege, ein Remis und drei Niederlagen zu Buche stehen. Wann waren Sie restlos zufrieden?
FODA: Wir haben immer wieder sehr gute Phasen und sogar Halbzeiten dabeigehabt, wie gegen Deutschland, Bosnien oder Nordirland. Aber in der EM-Qualifikation müssen wir 70, 80 oder im Idealfall 90 Minuten eine Topleistung abrufen. Nur dann können wir uns für die EM 2020 qualifizieren.

Viele meinen, dass Österreich in einer Gruppe mit Polen, Slowenien, Israel, Nordmazedonien und Lettland in die Top zwei kommen muss. Wie sehen Sie das?
FODA: Polen ist leichter Favorit. Aber diese Gruppe ist gefährlich, weil sich fast jeder gute Chancen ausrechnet. Wir müssen demütig an die Sache rangehen. Alle Teams sind defensiv gut organisiert und bestens vorbereitet. Wir können nur erfolgreich sein, wenn jeder bereit ist, Opfer für seine Mitspieler zu bringen. Fußball ist ein Fehlersport. Wenn jeder bereit ist, Fehler für seine Mitspieler auszubessern, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein.

Sie haben Sebastian Prödl in Ihren Kader berufen, obwohl er kaum Spielpraxis hat. Inwiefern hat das Nationalteam einen Mangel an Führungsspielern?
FODA: In jeder Mannschaft gibt es eine Hierarchie. Mit Julian Baumgartlinger, Sebastian Prödl, Marko Arnautovic und David Alaba haben wir Leadertypen. Ich will, dass jeder Spieler Verantwortung übernimmt. In solche Rollen muss man hineinwachsen. Martin Hinteregger, Aleksandar Dragovic und Florian Grillitsch müssen noch mehr Verantwortung übernehmen. Es gibt einige jüngere Spieler, die das Potenzial haben, sich zu Führungsspielern zu entwickeln. Aber der eine zeigt seine Führungsqualität mit der Leistung auf dem Platz, der andere durch seine Kommunikation. Gerade in großen Spielen brauchst du Selbstbewusstsein. Da ist es wichtig, dass die Führungsspieler die Jungen führen.

Apropos junge Spieler: In Ihrem Kader stehen fünf U21-Spieler.
FODA: Ich wollte schon im Vorjahr einige nominieren, aber da habe ich Rücksicht auf die U21-EM-Qualifikation genommen. Stefan Posch, Philipp Lienhart, der leider ausfällt, und Konrad Laimer etwa haben einen Riesensprung gemacht und sich zu Stammspielern in Deutschland entwickelt. Diese Spieler haben riesiges Entwicklungspotenzial. Denen muss man die Chance geben, sich zu präsentieren.

Präsentieren können sich einige neue Gesichter, weil Ihnen gleich vier Spieler vom 24-Mann-Kader absagen mussten. Wie sehr schmerzen die Ausfälle?
FODA: Ausfälle gehören zum Fußball dazu. Die Spieler, die auf Abruf gestanden sind, haben sich die Einberufung ja auch verdient.

Die Defensive ist ein Prunkstück mit schier unendlicher Auswahlmöglichkeit. Wie sehen Sie das?
FODA: Obwohl wir immer aktiv sein wollen, waren wir stabil und haben wenig Gegentore erhalten. Man muss sich auf Jahre keine Sorgen machen. Mit Kevin Danso, Stefan Posch, Philipp Lienhart, Maximilian Wöber oder Dario Maresic gibt es viele talentierte Innenverteidiger.

In der Offensive sieht es anders aus. Nach den Ausfällen von Guido Burgstaller, Michael Gregoritsch und Lukas Hinterseer haben Sie mit Marko Arnautovic, Karim Onisiwo und Marc Janko drei Stürmer im Aufgebot, die nur über wenig Spielpraxis verfügen. Bereitet Ihnen das nicht Kopfzerbrechen?
FODA: Ich bin überzeugt von diesen Spielern und vertraue ihnen. Speziell Marc hat ein unglaubliches Herz und ist immer kurzfristig für uns da. Klar hat er wenig gespielt. Aber er hat etwas, was man nicht verlernen kann – den Instinkt im Strafraum. Ich hoffe aber, dass jetzt nichts mehr passiert.

Die Vorbereitung auf das Polen-Spiel findet in Wien statt – inklusive veralteten Happel-Stadions und nicht geeigneter Trainingsplätze. Wie gehen Sie damit um?
FODA: Es ist nicht ideal, dass wir kein eigenes Trainingszentrum haben. Leider haben uns kleinere Fußballländer überholt, was die Infrastruktur anbelangt. Das muss ein Warnsignal für uns sein. Nur wenn du die infrastrukturelle Basis schaffst, wirst du langfristig erfolgreich sein.

Ihr Vertrag läuft bis Ende des Jahres mit der Option auf Verlängerung bis zum Nations-League-Play-off bzw. der EM-Endrunde. Wie sieht es mit Ihrer Zukunft aus?
FODA: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Gerade als Trainer kann man nicht lange planen. Das ist Tages- bzw. Wochengeschäft – beim Nationalteam eventuell Monatsgeschäft.