Ein Abschiedsspiel ist ja meist ein Zeichen einer Alterserscheinung. Fühlt sich Christian Fuchs alt?
Nein, alt fühle ich mich überhaupt nicht. Ich fühle mich richtig jung.
Wann kam der Gedanke auf, vom Team zurückzutreten?
Das ist länger her. Ich lebe getrennt von meiner Familie und habe meinen Buben kaum aufwachsen sehen. Irgendwann habe ich Prioritäten gesetzt. Meine Frau hat mich unterstützt und gesagt: EM-Qualifikation und EM, mach das noch. Sie wollte auch, dass ich die WM-Qualifikation spiele. Aber ich möchte meinen Buben aufwachsen sehen. Und in Länderspielpausen haben wir bei Leicester meist ein paar Tage frei.
Was war die EM dann für ein Gefühl?
Ich habe sie umso mehr genossen. Danach habe ich offen und ehrlich mit allen gesprochen. Klar waren sie enttäuscht, aber sie haben es akzeptiert und respektiert. Dafür bin ich dankbar.
Bis zur EM wussten nur Sie und Ihre Frau von den Plänen?
Ja. Wir wollten nichts hinausposaunen. Das hätte für Unruhe gesorgt. Ich wollte, dass sich jeder auf die EM freut.
Warum fiel die Entscheidung gegen die WM-Qualifikation?
Meine Frau hat mich gefragt: Willst du wirklich einen Strich drunter ziehen? Ich möchte aber mehr Familienvater sein. Der Schlussstrich ist mir schwergefallen, weil ich zehn super Jahre gehabt habe. Mit allen Höhen und Tiefen.
So ein Abschied hat ja immer etwas Emotionales. Sind Sie ein emotionaler Mensch?
Ja, eigentlich schon.
Wenn Zehntausende zum Abschied winken, dann kann es einem ja mulmig werden.
Ja. Ich weiß noch nicht, wie es wird, die Reaktionen zum Rücktritt waren ja unterschiedlich. Aber ich denke, dass viele auch sehen, was ich für Österreich gemacht habe, und wissen, warum die Entscheidung so fiel.
Werden Sie gegen die Slowakei, zumindest für wenige Minuten, die Linksverteidigerdiskussion beenden?
Ich glaube nicht. Ich kann das wegen Leicester nicht riskieren. Der Teufel schläft nicht.
Beschäftigt Sie die Lücke, die Sie hinterlassen haben?
Ich habe mir am Anfang links hinten auch nicht leichtgetan. Wichtig ist, dass der Trainer Ideen bringt, wie auch immer diese aussehen. Auf kurz oder lang wird es kein Thema mehr sein. Die Spieler versuchen, ihr Bestes zu geben. Wenn man als verlässlicher Ersatz links hinten plötzlich Nummer eins ist, dann ist das eine Umstellung.
Wie fühlt es sich an, wenn man nach zehnjähriger Teamkarriere plötzlich Beobachter ist?
Ich fühle mich noch als ein Teil vom Ganzen, weil das noch frisch ist. Man will am liebsten am Platz stehen, das ist klar.
Das Team verlor auch gegen Irland. Warum verlief das Jahr 2016 nicht nach Wunsch?
Die Erwartung war nach der EM-Qualifikation hoch. Damit müssen die Spieler umgehen. Einige Spiele sind seit damals unglücklich verlaufen, sie hätten auch gewonnen werden können. Das Team ist ein gutes. Ab nun ist verlieren verboten, ich bin mir aber sicher, dass die Mannschaft in die Spur kommt.
Wenn Sie zurückblicken auf zehn Jahre Nationalteam, woran denken Sie zuerst zurück?
An Marc Jankos 3:0 beim Qualifikationsspiel in Schweden. Da sind alle Dämme gebrochen.
Sie haben ja selbst auch ein Tor geschossen.
Ja, daran kann ich mich auch erinnern. 2010 gegen Griechenland, Doppelpass mit Arnautovic, unter die Latte gehämmert. Wir haben leider 1:2 verloren.
Wann war die Aufregung größer? Beim Debüt oder bei den EM-Spielen?
Beim Debüt. Ich habe ja doch ein paar Spiele auf dem Buckel. Klar, gekribbelt hat es bei der Euro. Aber beim Debüt gegen Kroatien, da war ich, wenn auch nur für ein paar Minuten, nervös.
Und welche Situation würden Sie gerne rückgängig machen?
Einmal schoss ich fast ein zweites Tor, 2010 gegen die Schweiz. Ich köpfelte aber an die Latte. Und eine Knieverletzung habe ich auch im Team erlitten. Aber vielleicht wäre ich, wenn all das nicht passiert wäre, gar nicht dort, wo ich heute bin.
Wie sieht Ihre Zukunft aus?
Eigentlich plante ich, 2018 nach Amerika zu gehen. Ich habe aber in Leicester verlängert, es wird 2019 sein. Aber dann bin ich 33, ein alter Mann. Dann werde ich meine Zelte in Europa abbrechen.
Wollen Sie tatsächlich in den Football-Sport?
Vielleicht. Der beste Tormann bin ich nicht, Wide Receiver werde ich keiner. Aber ich trete mein Leben lang gegen Bälle. Und Kicker können auch alt in Pension gehen.
Was werden Sie Ihren Ex-Teamkollegen mitgeben, wenn Sie ihnen heute begegnen?
Ich habe die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen. Wir reden ja, als ob ich richtig alt wäre. Die Jungs wissen, was sie machen. Ich hoffe, dass es ein gutes Spiel wird. Und dass wir einen schönen Abend haben.