Im Innenleben eines 56-Jährigen kann es bisweilen schon rumoren, und Marcel Koller ist derzeit vehementen Angriffen ausgesetzt. Das fachspezifische Weltbild des Teamchefs Österreichs wurde 2016 in besonders heftigen Aufruhr versetzt. Der Verdruss über das missglückte Jahr sitzt tief, aber der Schweizer lässt sich seine Wut nicht anmerken. Er gibt jedoch den Ärger zu. Seine Idee vom Fußball wurde nicht im gewünschten Ausmaß weiterentwickelt und die Gegner profitieren inzwischen von zu genauer Kenntnis der österreichischen Spielkultur. Österreich agiert, der Mitbewerber reagiert, und dies erfolgreich, wie die Spiele gegen Serbien und Irland zeigten. „Wir können nicht mehr überraschen“, formuliert es Kapitän Julian Baumgartlinger.
Ästhetischer Anspruch
Koller stellt daher die Frage nach dem Sinn des Systems Koller, das der Teamchef nach klaren Maßstäben anlegt. Er möchte wie schon 2015 wieder den Beweis erbringen, „dass wir gute Spieler haben“. Und rasch muss nun der nächste, entscheidende Schritt gesetzt werden. „Ich möchte mit Fußball Erfolg haben“, das ist sein Ziel. Er gerät aber sofort in den Zwiespalt, weil er weiß, dass nicht jeder Preis dafür gezahlt werden kann. Und er will seinem ästhetischen Anspruch natürlich nicht eine WM opfern. Angesichts der ausbleibenden Erfolge stellt er die Frage selbst in den Raum: „Sollen wir unsere Linie verlassen und uns nach den anderen richten?“ Die (unausgesprochene) Antwort lautet wohl: Nein. „Da würden dann irgendwann auch die Spieler fragen, was das soll“, so Koller.
Kein Systemwechsel - Vorerst
Es lebt die Hoffnung, dass der eigene Stil, der vom Teamchef vorgegebene Gestaltungswille demnächst wieder in die Erfolgsspur zurückführt. Am besten soll dies schon heute passieren, denn welchen Sinn sollte dieses Testmatch sonst haben? Es wird zu einigen personellen Änderungen kommen, aber das System kann nicht über den Haufen geworfen werden. „Locker-flockig alles auf den Kopf zu stellen, das wird es nicht spielen“, erklärte der Nationaltrainer, der auch das wieder kurz aufgeflammte Alaba-Thema für die Dauer seiner Ära für beendet erklärte. Der Bayern-Kicker rückt nicht nach links, er bleibt im Mittelfeld. Aus, basta. Alaba sei einfach auf dieser Position wertvoller für die Nationalmannschaft.
Schwachstellen finden und beheben
Koller ist ohnehin, wie er selbst erklärt, mit dem Tüfteln über die Schwachstellen intensiv beschäftigt. „Es reizt mich, herauszufinden, warum es derzeit schlecht läuft“, sagt der Schweizer und fordert seine Spieler zu mehr Gelassenheit auf, „Wir müssen ruhiger werden“, die Mannschaft dürfe sich nicht vom Gegner in Hektik treiben lassen. Vielleicht klappt es ja wenigstens einmal in einem Freundschaftsspiel.