Im historischen Vergleich erlebt Österreichs Nationalteam gerade eine seiner besseren Phasen. Wer sich schon länger als ein Jahrzehnt für das A-Team interessiert, weiß den Ist-Zustand vermutlich noch mehr zu schätzen. Gleichzeitig wissen längergediente Beobachter, dass es dauert, eine neue Generation aufzubauen. Der ÖFB profitiert heute noch von Nachwuchs-Reformen, die in den sportlich dunklen Nuller-Jahren in die Wege geleitet wurden.

Aktuell werden die Teamspieler von morgen an den Profi-Fußball herangeführt, die in fünf oder zehn Jahren für Gänsehaut-Momente sorgen sollen. Eine seriöse Prognose, ob 2034 genügend hochklassige Akteure zur Verfügung stehen werden, ist nicht möglich. Dafür entwickeln sich Talente individuell zu unterschiedlich. Was sich sehr wohl sagen lässt: Die Momentaufnahme im Altersspektrum um die 20, in dem Spieler schon längst auf sich aufmerksam gemacht haben können, ist im internationalen Vergleich unerfreulich. Speziell wenn man den plakativen Vergleich von Teenagern wählt.

Generationentalent Lamine Yamal

Freilich, ein 16-jähriges Ausnahmetalent wie Lamine Yamal, das gerade für Spanien bei der EM für Furore sorgt, gibt es weltweit pro Generation nicht allzu oft. Ähnliches gilt für den türkischen Hoffnungsträger Arda Güler, dessen Standards kräftig mitgeholfen haben, den österreichischen EM-Traum platzen zu lassen. Dessen ebenfalls erst 19-jähriger Nationalmannschafts-Partner Kenan Yildiz ist indes ein Beispiel, wie schnell es in dieser Altersstufe gehen kann, so rasant war seine Entwicklung bei Juve im vergangenen Jahr.

Arda Güler fällt unter die Kategorie Unterschiedspieler
Arda Güler fällt unter die Kategorie Unterschiedspieler © IMAGO

Die Frage ist, wie vielen gleichaltrigen Österreichern man derzeit solch internationale Ausrufezeichen zutrauen kann. Die Marktwerte der Kollegen von „transfermarkt“ sind ein guter Indikator für das Standing der jeweiligen Kicker. Filtert man bei den fiktiven Ablösen Spieler im Teenager-Alter heraus, führt Yamal gleichauf mit Barca-Kumpel Gavi (19) mit je 90 Millionen Euro gefolgt vom brasilianischen Real-Neuzugang Endrick (17) und dem französischen EM-Teilnehmer Warren Zaire-Emery (18) mit je 60 Millionen. Güler und Yildiz reihen sich mit je 30 Millionen auf dem geteilten elften Rang ein.

Grgic, Wels, Jano und Schöller

Und die am teuersten eingestuften Teenie-Österreicher? In Führung liegt das Quartett Leon Grgic (18, Sturm), Moritz Wels (19, Austria), Zeteny Jano (19, Liefering) und Jakob Schöller (18, Rapid). Marktwert? Günstige 500.000 Euro. 68 internationale Teenager werden mit einem Marktwert von mehr als zehn Millionen gelistet, immerhin deren 391 mit mindestens einer Million. Die Analyse, dass es Alterskollegen aus anderen Ländern derzeit besser gelingt, auf sich aufmerksam zu machen, ist also nicht zu gewagt.

Nimmt man das Alterssegment 20 bis 22 dazu, ändert sich das Bild ein wenig, aber nicht wesentlich. Mit EM-Kandidat Samson Baidoo (20, Salzburg, acht Millionen) und EM-Teilnehmer Leopold Querfeld (20, Union Berlin, fünf Millionen) stechen zwei Innenverteidiger zumindest national heraus. Fast-EM-Teilnehmer Thierno Ballo (22, WAC, drei Millionen) lässt hoffen, Dijon Kameri (20, Salzburg, 2,3 Millionen) hat leider ein eher verlorenes Jahr hinter sich. Der 21-jährige Nikolas Veratschnig (eine Million) hat es immerhin zu Mainz in die deutsche Bundesliga geschafft. Trotzdem: Es ist kein Zufall, dass die nach Querfeld jüngsten EM-Österreicher mit 23 dem Talentealter längst entwachsen sind.

Yusuf Demir muss die hohen Erwartungen erst erfüllen
Yusuf Demir muss die hohen Erwartungen erst erfüllen © GEPA

Leider weit weg von einer EM-Teilnahme war Yusuf Demir (2,7 Millionen). Jahrelang galt der spielerisch veranlagte 21-Jährige als der ÖFB-Superstar der Zukunft. Als er zwischenzeitlich für den FC Barcelona auflief, betrug sein Marktwert zwölf Millionen Euro. Nach Stationen bei Galatasaray und Basel ist es um den Ex-Rapidler stiller geworden. Ihn abzuschreiben wäre viel zu früh. So lange ist es nicht her, dass man ihm eine tragende ÖFB-Rolle zutrauen konnte. Für die nächste Ebene bräuchte das Nationalteam kreative Unterschiedspieler, wie er einer sein könnte.

Das Beispiel Demir zeigt, dass man sich nicht auf die Entwicklung einzelner Juwele verlassen darf, sondern auch in der Spitze eine gewisse Breite wünschenswert wäre. Wie es generell einer Debatte bedarf, welche Art an Spielern ausgebildet werden. Österreich bringt genügend Innenverteidiger hervor. Bei Tormännern, Außenverteidigern und Stoßstürmern schaut es anders aus. Teamchef Ralf Rangnick vermisst vor allem Tempodribbler.

Lösen Rohdiamanten das Versprechen in sie ein?

Zu tun gibt es auf Nachwuchsebene immer genug. Dies ist ein Bereich, bei dem ständig an den Stellschrauben gedreht werden muss. Auch wenn diese Momentaufnahme keine erfreuliche ist, kann Österreich in zehn Jahren natürlich ein Starkes A-Team haben. Wichtig ist nur, dass gerade in Zeiten des Erfolges das Thema Talenteförderung nicht vernachlässigt wird und die Dringlichkeit stets eine hohe ist.

Oft kann es auch schnell gehen. Deshalb seien bei aller Gefahr des Namedroppings einige Talente genannt, die man im Auge haben sollte. Tristan Osmani wurde auf Schalke endlich zu den Profis befördert, mit 19 kann man schon mal beginnen sich durchzusetzen. Rapid führt Flügelspieler Jovan Zivkovic (18) langsam heran. Die 17-jährige Tormann-Hoffnung Salko Hamzic spielt in Liefering bereits 2. Liga, Rangnick nominierte ihn schon vor einem Jahr für den Perspektivspieler-Lehrgang. Die Zukunfts-Lösung im Angriff könnte Oghenetejiri Adejenughure (Liefering) heißen. Das Aushängeschild des Jahrgangs 2007 glänzte bei der U17-EM und soll bei Manchester United, Milan und Dortmund auf dem Zettel stehen. Allesamt Versprechen, die diese Rohdiamanten jedoch erst einlösen müssen. Demir ist Warnung genug, dass dies kein Selbstläufer ist.