Die Annahme, dass Österreichs Nationalteam noch nie ein Elfmeterschießen bestritten hat, erweist sich lediglich in Bezug auf Großereignisse als richtig. In den Nuller-Jahren gab es sogar deren drei. Im Februar 2005 musste das ÖFB-Team unter dem damaligen Teamchef Hans Krankl zwei Mal binnen zwei Tagen ins Shootout – und verlor beide.
50 Zuschauer gegen Lettland
Bei einem Vier-Nationen-Turnier unterlag man erst Gastgeber Zypern vor 300 Zuschauern nach einem 1:1 nach regulärer Spielzeit, weil Ivica Vastic scheiterte. Tags daraus im kleinen Finale gegen Lettland knallte Rene Aufhauser seinen Versuch an die Latte. Das Spiel selbst hatte erneut 1:1 geendet. Gespielt wurde vor offiziell 50 Zuschauern. Nein, nicht jedes Turnier ist ein Großereignis.
Beim bislang letzten Elfmeterschießen des Nationalteams waren im September 2007 in Klagenfurt immerhin 26.142 Zuschauer zugegen. Im Rahmen des „Turniers der Kontinente“ ging es für die Elf von Josef Hickersberger gegen von Ivica Osim betreute Japaner. Das Highlight einer ermüdenden Nullnummer war der 4:3-Sieg vom Punkt, bei dem Tormann Helge Payer gegen Yasoyuki Konno parierte.
Eine Entscheidung nach 90 oder 120 Minuten ist immer die bevorzugte Variante. Trotzdem könnte nun in der K.o.-Phase der EM beginnend mit dem Achtelfinale gegen die Türkei der nervenaufreibende Gang zum Punkt anstehen, also lohnt sich ein Blick auf die Elfmeter-Statistiken der ÖFB-Spieler. Auf „transfermarkt“ findet sich die bisherige Karriere-Ausbeute (inklusive Junioren-Spiele) in der regulären Spielzeit.
Fleißigster Schütze im ÖFB-Kader? Marco Grüll
Der fleißigste Elfmeterschütze im Kader? Mit großem Abstand Marco Grüll. 33 seiner 35 bisherigen Versuche hat er verwertet. Darunter befinden sich einige Strafstöße aus Regionalliga-Zeiten. Positiv stimmt jedoch, dass er alle 14 Elfmeter im Rapid-Trikot verwertet hat. Seine beiden Fehlversuche stammen aus der Zeit bei der SV Ried, letztmals gescheitert ist er im März 2021 an einem gewissen Alexander Schlager.
Ebenfalls erfahrene Penaltyschützen: Marko Arnautovic hat 19 von 21 versenkt, sein jüngstes Erfolgserlebnis stammt aus dem Gruppenspiel gegen Polen. Marcel Sabitzer ist in seiner Laufbahn makellos, zwölf von zwölf Elfmetern waren drinnen. Florian Kainz verwandelte zehn von zwölf Penaltys und übernimmt bei Köln oft die Verantwortung. Michael Gregoritsch jubelte neun von zehn Mal – sein einziger Fehlschuss passierte zu Beginn der EM-Qualifikation gegen Estland. Letztmals aus elf Metern getroffen hat „Gregerl“ übrigens beim 6:1 im Test gegen die Türkei.
Baumgartner überwindet Trauma
Beim Kantersieg gegen den nunmehrigen Achtelfinal-Kontrahenten besiegte Christoph Baumgartner sein Elfmeter-Trauma. Selbiges stammt aus dem Jahr 2019, als er erst bei der U21-EM und später auch in einem Quali-Match der U21 vergab. Danach hielt er sich jahrelang vom Punkt fern, bis er sich gegen die Türkei im Hinblick auf möglicherweise vergleichbare Situationen bei der Euro wieder traute. Am Potenzial sollte es bei Baumgartner nicht scheitern. Insgesamt hat er in seiner Laufbahn zwölf Mal getroffen, aber elf Mal eben in der Juniorenzeit.
Bei den übrigen Kadermitgliedern hält sich die Erfahrung in Grenzen. Maximilian Entrup kann einen verwerteten Bundesliga-Elfer vorweisen. Das höchste Level, auf dem andere Spieler reüssiert haben, ist das U21-Nationalteam (Romano Schmid, Kevin Danso, Maximilian Wöber).
Bei Patrick Wimmer, Konrad Laimer, Nicolas Seiwald, Andreas Weimann, Phillipp Mwene, Philipp Lienhart, Leopold Querfeld, Gernot Trauner und Flavius Daniliuc ist nicht ein einziger Elfmeter erfasst.
Aber ein Elfmeterschießen ist ohnehin wieder eine andere Situation. Im konkreten Fall bringt es übrigens nichts, sich über das Fehlen von David Alaba zu beklagen. Der hat erstens mit acht Toren aus zwölf Versuchen gar nicht mal eine so gute Quote, und zweitens auch seit knapp einem Jahrzehnt keinen Strafstoß mehr geschossen. An seinen letzten können sich aber vermutlich noch viele ÖFB-Fans erinnern: Beim 4:1 in Schweden im September 2015, mit dem Österreich das Ticket für die Euro 2016 gelöst hat.