Man brauche nach dem 0:1 zum Auftakt gegen Frankreich gar nicht lange drumherum reden, bringt es Stefan Posch auf den Punkt: „Jetzt müssen wir liefern! Gegen Polen müssen wir gewinnen, wir brauchen die drei Punkte.“ Im Falle einer Niederlage könnte Österreichs EM-Abenteuer am Freitag beendet sein, bevor es so richtig begonnen hat. Damit das rot-weiß-rote „Lieferservice“ funktioniert, kommt es auf folgende Schlüsselfaktoren an.

Druckresistenz: „Wollen wir die Gruppe überstehen und bei der EM weit kommen, ist es ein klassisches Sechs-Punkte-Spiel“, erläutert Maximilian Wöber. Man könnte es auch so formulieren: Will man weit kommen, muss man bei einem Turnier zwangsläufig den Beweis antreten, in Begegnungen mit Endspiel-Charakter reüssieren zu können. Je höherklassiger man agiert, gehört der Umgang mit Druck im Profifußball zum täglichen Brot. „In der Qualifikation hatten wir auch fast nur Do-or-Die-Spiele“, sagt es Patrick Wimmer auf Neudeutsch. Nun gilt es am nächsten Level die Nerven zu bewahren. Dies betrifft übrigens beide Teams. Polen steht nach der Pleite gegen die Niederlande genauso mit dem Rücken zur Wand.

Nicht zu viel Änderungen: Kleine-Zeitung-Experte Julian Baumgartlinger hat bereits eindringlich davor gewarnt, jetzt alles über den Haufen zu werfen. Man müsse die Ruhe bewahren und sich selbst treu bleiben. Gedanken, die auch in Berlin aus ÖFB-Mündern zu vernehmen sind. „Wir bereiten uns auf Polen so vor, wie wir es immer machen“, verspricht etwa Posch.

Das richtige Personal: Auch bezüglich der Startelf ist keine Revolution zu erwarten, wenngleich fünf gelbvorbelastete Spieler natürlich eine Hypothek sind. Die eine oder andere Adaption ist nicht auszuschließen. Eine Variante: Mit Gernot Trauner und Patrick Wimmer (anstelle von Wöber und Florian Grillitsch) könnten zwei Joker des Frankreich-Spiels diesmal beginnen. „Natürlich hofft man, dass man in die Startelf rutscht“, sagt Wimmer, der jedoch betont, in egal welcher Rolle alles zu geben. Trauner könnte helfen, die beim Auftakt vermisste Vertikalität ins Spiel zu bringen. „Wir haben gesehen, wie uns Gernot mit seinen Pässen helfen kann. Er ist richtig gut im Spielaufbau“, erläutert Nicolas Seiwald.

Regeneration: Die Polen haben zwischen erstem und zweiten Match 30 Stunden mehr Zeit zur Erholung, Österreich zudem einen strapaziösen Kraftakt in den Beinen. Diesen Vorteil wollen die ÖFB-Kicker nicht überbewerten. „Marathonmann“ Seiwald fühlte sich bereits am Mittwoch wieder „fast fit“. Für den Leipzig-Legionär ist dieses Thema Kopfsache: „Wenn man sich selbst sagt, man ist fit, ist man fit.“ Ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Auch der Dauerläufer trainierte am Mittwoch wie diverse Stammkräfte regenerativ. Die ÖFB-Betreuer arbeiten auf Hochtouren, um rechtzeitig alle Spielerkräfte zu mobilisieren. Alles in allem sieht man dem Vier-Tages-Rhythmus jedoch zuversichtlich entgegen. Wöber: „Wir wissen, dass wir eine extrem fitte Mannschaft sind, die sehr über die Physis kommt. Das wird im Laufe des Turniers eine unserer Stärken sein. Jeder bei uns im Kader hat diesen Rhythmus in den Beinen.“

Das „andere“ Spiel annehmen: Dass die Polen-Partie „anders“ wird als jene gegen Frankreich, ist in ÖFB-Kreisen dieser Tage ein geflügeltes Wort. „Es wird ein Kampfspiel, in einigen Momenten auch brutal“, vermutet mit Michal Probierz der polnische Teamchef. Österreichs Spiel lebt ohnehin von seiner Intensität. „Die Polen spielen sicher physischer als die Franzosen“, erwartet Tormann Patrick Pentz. Seiwald prophezeit: „Gegen die Niederlande haben sie es richtig gut gemacht. Die Polen werden uns sicher höher anlaufen als die Franzosen. Aber darauf sind wir vorbereitet.“ An dieser Stelle kommt allerdings wieder der Punkt, dass man nicht zu viel ändern sollte, ins Spiel. Normalerweise schaut das ÖFB-Team vor allem auf sich selbst.

Die Null halten: Beim Blick auf sich selbst fällt auf, dass Österreich in jedem der letzten vier Länderspiele ein Tor kassiert hat. So gesehen ist es höchste Zeit für ein Zu-Null-Spiel, mit dem praktischerweise auch eine Niederlage ausgeschlossen wäre. Ein Spiel ohne Gegentor hat in erster Linie mit der Defensivleistung der gesamten Mannschaft zu tun, ein Torhüter in guter Turnierform schadet aber nicht. Pentz präsentierte sich gegen Frankreich voll auf der Höhe: „Ich versuche jede Sekunde zu genieße, das ganze Drumherum aufzusaugen. Es ist schön, bei einem Großereignis dabei sein und sich mit solchen Spielern messen zu können.“

Gnadenlose Effizienz: Die Floskel, dass Kleinigkeiten entscheiden können, hat mitunter ihre Berechtigung. Gegen Frankreich verketteten sich in den Minuten 36 bis 38 zu viele unglückliche Umstände (Vergebene Topchance, Fehlentscheidung des Schiedsrichters, schlecht geklärt vor der Flanke von Kylian Mbappé, Eigentor Wöber). Erweist sich Baumgartner bei seiner Möglichkeit gewohnt kaltschnäuzig, hätten sich alle anderen Debatten erübrigt und Österreich geführt. Gegen Polen sollten mehrere solcher Gelegenheiten erarbeitet und die Führung erzwungen werden. „Das sind genau die Momente, in denen wir das Spiel auf unsere Seite ziehen können“, weiß Posch.

Das Publikum: Pentz fühlte sich gegen die Equipe tricolore in Düsseldorf wie bei einem Heimspiel im Happel-Stadion: „Mit dem Unterschied, dass das Stadion besser ist.“ Die Teamspieler zeigten sich begeistert von der Unterstützung und hoffen, dass die Nationalteam-Fans im Berliner Olympiastadion ebenso lautstark agieren. Das wird gegen die begeisterungsfähigen Anhänger aus Polen womöglich nicht einfach, dennoch ist der Support ein wichtiger Schlüssel. Posch: „Diesmal wollen wir es mit drei Punkten zurückzahlen.“