Sieht man sich als Torhüter mit nur einer echten Chance des Gegners konfrontiert, bei der man dann auch noch nicht die allerbeste Figur macht und ein Tor kassiert, spricht man in den allermeisten Fällen von einem gebrauchten Arbeitstag. Gerade Heinz Lindner weiß jedoch, dass man dies auch differenzierter sehen kann.
Keine Frage: Der Gegentreffer beim 1:1 in der Schweiz geht auf seine Kappe. Nachdem der Routinier einen Abschluss von Dan Ndoye prallen ließ, sagte Silvan Widmer artig Danke. „Ich habe versucht, den Ball zu fangen, was aus mehreren Faktoren sehr schwierig war. Letzten Endes habe ich es nicht geschafft. Ich habe dann versucht habe, mich beim Nachschuss so groß wie möglich zu machen und den Ball auch noch berührt. Leider war es zu wenig“, schildert der Oberösterreicher die unglückliche Szene.
Bestätigung von Yann Sommer
Besagte Faktoren konnte ihm Yann Sommer bestätigen. Der Schweizer Tormann erzählte Lindner nach dem Schlusspfiff, dass ihm in der Schlussphase beim Matchball von Michael Gregoritsch beinahe dasselbe Malheur passiert wäre: „Auch er hatte Probleme, weil Ball und Rasen in dementsprechenden Zustand waren. Aber er hat es geschafft, den Ball irgendwie mit der Hand zu fixieren. Mir ist das leider nicht gelungen.“
Dies ist natürlich sehr ärgerlich für einen Torhüter im Kampf um die Nummer eins bei der EM. Als Favorit für die Vertretung von Alexander Schlager gilt weiter Patrick Pentz, doch Lindner ist nach wie vor im Rennen. Teamchef Ralf Rangnick bekundete nach dem Schweiz-Spiel, dass er seine Wahl im Tor noch nicht getroffen habe: „‘Pentzi‘ hat gegen Serbien gespielt, Heinz im zweiten Spiel. In Berlin ist noch Zeit genug, wir werden das in Ruhe besprechen und dann den Torhütern natürlich rechtzeitig Bescheid geben.“
Lindner hat inzwischen mehrmals versucht zu verdeutlichen, dass seine Hodenkrebs-Erkrankung den Blickwinkel auf diverse Dinge massiv verändert hat. Dies ändert nichts am sportlichen Ehrgeiz. Selbstverständlich ist der Routinier nach der überraschenden Nominierung ins Camp eingerückt, um sich für den EM-Kader zu qualifizieren. „Durch gute Trainingsleistungen habe ich den Cut auch geschafft“, erklärt Lindner und nimmt es jetzt, wie es kommt.
„Ich bin so dankbar und froh, dabei zu sein. Ich stelle überhaupt keine Ansprüche. Egal wie die Rolle für mich ausschaut, ich werde sie zu 100 Prozent annehmen und erfüllen“, verspricht der Goalie und verweist darauf, dass es im Fußball oft ganz schnell geht: „Ich bin alt genug, um das zu wissen. Was mit mir im letzten Jahr passiert ist, ist das beste Beispiel. Ich bin als Nummer eins in die Quali gestartet, wurde durch eine schlimme Diagnose zurückgeworfen, habe mich trotzdem hierher zurück gekämpft und fahre jetzt zur EM.“
In diesem Kontext ist es verständlich, dass sein 37. Länderspiel für Lindner eine große Bedeutung hat – Fehler hin oder her. Es war sein erster Auftritt im ÖFB-Trikot seit März 2023, das Comeback nach der Erkrankung, und das noch dazu in der langjährigen Wahlheimat Schweiz. Lindner: „Für mich war es in mehrerlei Hinsicht ein spezielles Spiel.“