Als Mann der klaren Worte ist Ralf Rangnick bekannt. Auch nach dem 1:1 im letzten Testspiel vor der EM-Endrunde in Deutschland, die für die ÖFB-Truppe am 17. Juni in Düsseldorf gegen Frankreich startet, zeigte sich Österreichs Teamchef not amused angesichts der Darbietung seiner Mannschaft in der ersten Spielhälfte. „Da haben wir irgendetwas gespielt. Wir waren im zweiten oder dritten, aber nie im fünften und sechsten Gang. Und so geht das nicht“, analysierte der Deutsche knallhart und erklärte, was er seinen Spielern in der Pause klarmachen wollte. „Jeder hat nur ein bisschen Pressing gemacht. Aber ein bisschen Pressing ist wie ein bisschen schwanger. So können wir nicht auftreten. Das war alles im Energieschonmodus, so darfst du auch im letzten Testspiel vor der EM nicht auftreten.“
Im Laufe der ersten Halbzeit hätte man die Verunsicherung schon an den Diskussionen am Feld gemerkt. „Wer nimmt wen? Was ist mit Steven Zuber? Und was mit Granit Xhaka? Wenn bei unserer Spielweise solche Fragen entstehen, stimmt etwas Grundlegendes nicht“, verdeutlichte Rangnick, der die Grundtugenden vermisste, kaum Sprints mit oder gegen den Ball sah.
Menschlich, aber nicht hilfreich
Wie sich der Teamchef dieses ungewohnte Gesicht seiner Mannschaft erklärte? Rangnick versuchte sich in die Spieler-Köpfe zu versetzen: „Vielleicht denkt man sich: Wenn ich ein bisschen weniger mache, ist die Verletzungsgefahr nicht so groß. Die letzten sechs Spiele hatten wir gewonnen, wir sind ja jetzt schon gut genug, alle loben uns in den Himmel, wir sind schon einer der Geheimfavoriten - und dann macht man ein bisschen weniger. Das ist vielleicht menschlich, hilft uns aber natürlich nicht.“
Noch einmal will der 65-Jährige so eine Leistung nicht sehen, denn „wenn wir so wie in der ersten Hälfte gegen Frankreich spielen, haben wir keine Chance“. Rangnick zeigte sich aber wie gewohnt angriffslustig und ging schon wieder in die Offensive. „Wir wollen aber eine Chance haben, und ich bin auch überzeugt, dass wir eine Chance haben werden, auch gegen Frankreich.“ Was den Schwaben positiv stimmt? Die zweite Spielhälfte, „in der wir deutlich aggressiver waren. Da hat es wie ein Heimspiel von uns ausgesehen. Wir hatten auch wieder Spielkontrolle“.
Einmal mehr erwies sich Christoph Baumgartner als bester Spieler im österreichischen Team. Der Offensivakteur erzielte sehenswert das 1:0 und traf so zum fünften Mal in den letzten fünf Partien. Leider musste er in der Pause in der Kabine bleiben. Bedenken, wonach man sich Sorgen machen muss um einen Einsatz bei der EM, sind aber unbegründet. „Ich habe mich nicht gut gefühlt. Mein Energielevel war nicht nicht bei 100 Prozent. Aber das war nur heute ein Problem. Bei der EM wird das kein Problem sein. Ich habe ein gutes Gefühl, weil ich auch zur passenden Zeit in Form bin“, sagte der 24-jährige für Leipzig spielende Niederösterreicher.
Als Unglücksrabe agierte diesmal Heinz Lindner, der erstmals seit März 2023 wieder das Tor der Österreicher hütete, indem er einen harmlosen Schuss von Dan Ndoye nicht festhielt und so Silvan Widmer das 1:1 ermöglichte: „Ich habe versucht, den Ball zu fangen. Letzten Endes habe ich es nicht geschafft. Dann habe ich versucht, mich beim Nachschuss so groß wie möglich zu machen, so viel Körper wie möglich hinter den Ball zu bekommen. Ich habe ihn noch berührt, aber leider war es dann doch zu wenig.“
Bevor das Nationalteam am Mittwoch in Berlin das EM-Quartier beziehen wird, gibt es nun drei freie Tage. „Der Teamchef hat uns mitgegeben, dass wir uns erholen und in einem Topzustand nach Berlin kommen“, verriet Innenverteidiger Gernot Trauner. Michael Gregoritsch kann es kaum noch erwarten: „Wir sind wie Löwen im Käfig und wollen endlich die EM rocken.“