Teamchef Ralf Rangnick hofft gegenüber dem 2:0 am Samstag in der Slowakei, als man vor der Pause nicht überzeugte, auf eine Leistungssteigerung. „Wir wollen sehen, dass wir wieder einen Schritt nach vorne machen“, erklärte der Deutsche. Es ist der drittletzte Test vor dem EM-Auftakt gegen Frankreich. Im Juni folgen noch ein Heimspiel gegen Serbien (4. Juni) und die Generalprobe in der Schweiz (8. Juni). „Wir wollen uns mit jedem Spiel nochmal Schritt für Schritt in bestimmten Bereichen weiterentwickeln“, sagte Rangnick. Mit der Türkei treffe man auf einen Gegner, der „wie Deutschland den Anspruch hat, das Spiel mitzubestimmen und selbst kreativ zu sein“. Den EM-Gastgeber besiegte das ÖFB-Team im November in Wien mit 2:0.
Die Österreicher haben nur eines ihrer vergangenen 13 Länderspiele verloren. Zuletzt gab es vier Zu-Null-Siege in Serie. „Am Ende geht es auch darum, das Spiel für uns zu entscheiden und zu gewinnen“, gab Rangnick die Marschroute vor. Er dürfte ohne die verletzten Stars David Alaba und Marko Arnautovic auf die bestmögliche derzeit verfügbare Startformation vertrauen. Zumindest spreche nichts dagegen, betonte der 65-Jährige, der in der Slowakei noch an einigen Positionen Alternativen getestet hatte.
Wie geht es Marcel Sabitzer?
Einziges Fragezeichen ist Marcel Sabitzer. Der Mittelfeldmann von Borussia Dortmund ließ das Abschlusstraining Montagmittag aus und blieb für individuelle Behandlungen im Hotel. Sabitzer habe nach seinen 90 Minuten gegen die Slowakei „ein bisschen was gespürt“, sagte Rangnick, ohne auf die genaue Natur der Blessur einzugehen. „Wir werden kurzfristig entscheiden, ob er wirklich spielen kann.“ Riskieren wird man zweieinhalb Monate vor EM-Start in einem Testspiel aber erwartungsgemäß nichts.
Falls Sabitzer ausfällt, seien Patrick Wimmer und der in der Slowakei starke Romano Schmid die ersten Alternativen, bestätigte Rangnick. Christoph Baumgartner auf den linken Flügel zu ziehen, scheint keine Option. Der Teamchef hält den seit dem Slowakei-Spiel schnellsten Länderspiel-Torschützen der Geschichte - wie dieser sich selbst - im Zentrum für am wirkungsvollsten. „Es ist eine Aufgabe von mir als Trainer, dass ich versuche, jeden Spieler auf seine bestmögliche Position zu stellen.“
Konrad Laimer die Nummer vier
In der Kapitäns-Hierarchie ist Konrad Laimer nach Alaba, Arnautovic und Sabitzer der vierte Mann. Das Quartett bildet auch den Mannschaftsrat. Rangnick erwähnte zudem Baumgartner, Stürmer Michael Gregoritsch und Xaver Schlager sowie „perspektivisch“ Nicolas Seiwald. „Das sind alles Spieler, die Führungspersönlichkeiten sein können. Für unsere Art von Fußball ist aber wichtig, dass jeder auf dem Platz Verantwortung übernimmt. Es sind alle gefordert und gefragt, sich einzubringen und eine Rolle zu spielen.“
Die Abwehr mit Stefan Posch, Kevin Danso, dem einzigen Linksfuß Maximilian Wöber und Phillipp Mwene scheint aufgrund von Ausfällen fix. Auch Einsergoalie Alexander Schlager wird gegen die Türken ins Tor zurückkehren. Die Fehler vom Slowakei-Spiel gilt es abzustellen. „Wir haben - untypisch für uns - viele leichte Abspielfehler gehabt“, sagte Rangnick. Zudem hätte man nicht immer die richtigen Situationen gefunden, um das Pressing auszulösen. „Dadurch gab es auch relativ wenig Balleroberungen von uns.“
Moderne Mannschaft
Die Türken, seit September vom italienischen Ex-Teamstürmer Vincenzo Montella betreut, sind als spielstärker einzuschätzen als die Slowaken. „Das ist eine Mannschaft, die sehr technischen Fußball spielt - aber auch immer wieder versucht, den Gegner unter Druck zu setzen und zu Fehlern zu zwingen“, erklärte Rangnick. „Das ist etwas, das eine moderne Mannschaft auszeichnet.“
Als Schlüssel für den Aufschwung der Türkei sieht er den 2019 eingesetzten Sportdirektor Hamit Altintop, den er vor fast 20 Jahren bei Schalke 04 betreute. „Die Mannschaft ist jetzt deutlich jünger. Sie hat inzwischen eine richtig gute Mischung. Ich glaube von außen, dass das viel mit der Person Hamit Altintop zu tun hat.“ Wichtigste Person auf dem Platz ist immer noch Hakan Calhanoglu. Den Inter-Mailand-Star wollte Rangnick laut eigenen Angaben selbst einmal verpflichten, als beide noch in der deutschen Bundesliga tätig waren.
Calhanoglu bester Sechser der Welt?
Als er vor eineinhalb Wochen in Mailand war, um mit dem Club über Arnautovic und dessen Fitness zu sprechen, habe er sich auch fast eine Stunde mit Calhanoglu unterhalten, erzählte Rangnick. „Er war früher immer so ein bisschen der Zehner-Typ, der hinter den Spitzen gespielt hat.“ Mittlerweile hält sich der 30-Jährige selbst für den besten Sechser der Welt. Rangnick: „Wenn man älter wird, rückt man öfter ein bisschen zurück. Er ist ein super Typ, laufstark noch dazu. Ich habe ihn als Spielertyp immer sehr geschätzt.“
Das gilt auch für Alaba, der trotz seines Kreuzbandrisses am Sonntag zum Team gestoßen ist. Arnautovic sollte am Montagnachmittag folgen. Das verletzte Duo wird im ersten Heim-Länderspiel des Jahres im Stadion sitzen. Bis Montagmittag waren laut ÖFB-Angaben 35.000 Tickets verkauft. Die Begegnung wird damit entgegen Rangnicks Wunsch aller Voraussicht nach nicht ausverkauft sein. Mehr als 10.000 Karten sind noch zu haben.