Robert Schäfer kann das Lächeln nicht verbergen. „Wir haben einen 100-Tages-Plan ausgearbeitet. Den hatten wir aber nach 90 Tagen schon abgearbeitet“, sagt er. Und damit ist nicht einmal der Blick auf die Tabelle der 2. Liga gemeint. Denn da steht der KSV 1919 aktuell auf Rang zwei, nur einen Punkt hinter „Liga-Krösus“ Ried. So oder so: Der frische Wind, der durch die Stahlstadt in Sachen Fußball weht, ist auf dem Platz unübersehbar. Dass es mit dem sportlichen Erfolg so schnell gehen würde, das stand kaum im Plan; auszuschließen war es nicht. Doch verfolgt Robert Schäfer, der in Deutschland als Geschäftsführer des TSV 1860 München, von Dynamo Dresden oder Hannover 96 tätig war, weit größere Ziele mit den Kapfenbergern und Langzeit-Präsident Erwin Fuchs. Die „Falken“ sollen sein Musterbeispiel werden, zeigen, wie sich seine Vision, den Fußball in die digitale Zukunft zu führen, in die Tat umsetzen lassen soll.

„Es geht darum, einen Verein parallel zum sportlichen Erfolg so aufzustellen, dass er modern ist. Auch der Fußball steht unter Veränderungsnotwendigkeit. Und modern heißt, dass der Verein digital ist, dass er divers ist und dass er wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig ist. Dazu soll er teilhaberorientiert sein, also jene Menschen teilhaben lassen, die sich engagieren und einbringen wollen“, sagt der 48-Jährige. Der Jurist hat mit seinem eigenen Consulting-Unternehmen (RTC) begonnen, seine Erfahrungen im Fußball-Business, aus zahllosen Gesprächen mit anderen Managern und Playern der Branche, umzusetzen. Ganz nach dem Motto: „Wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würde ich ...“, wie er erzählt.

Kapfenberg kam da gerade recht, Schäfer wurde vom Investor „Panna Football Partners“ beauftragt, der in der Obersteiermark eingestiegen ist. Warum just hier? „Der Verein hat alles, was man braucht, um erfolgreich zu sein. Ein Stadion, eine Stadt, die hinter dem Verein steht, einen Bürgermeister, der dieses Engagement weiter fortsetzt. Er hat eine gute wirtschaftliche Basis, Fans, mit Erwin Fuchs dazu eine Person, die das seit Jahrzehnten vorangetrieben und ein Nachwuchsleistungszentrum aufgebaut hat, das für uns jetzt eine Basis ist.“ Wobei, ein Blick auf den Kader besagt, dass das NLZ mehr als nur „Basis“ ist. Beim KSV ist es Grundlage, Reservoir. Schäfer: „Wir haben den Kader nicht vergrößert, sondern verkleinert, 14 Spieler aus dem Leistungszentrum im Kader, das sind mehr als 50 Prozent. Und wir haben einen Trainer gefunden, der gesagt hat, dass er den Weg komplett mitgeht, mit diesen Spielern arbeiten will. Er wechselt auch bei Rückstand einen 17-Jährigen ein. Das ist der Weg, und das erlaubt Identifikation, weil es auch das ehrt, was an Tradition da ist. Das wollen wir etablieren und aufbauen.“

Große Worte, aber auch viele Taten. Denn nicht nur auf dem Platz ist Kapfenberg vom abstiegsgefährdeten Klub zum Spitzenreiter geworden, auch abseits davon wurde schnell geändert, modelliert. „Wir machen den Verein digital: Mit einem digitalen Ticketsystem, ein Online-Payment-System im Stadion. Wir haben Mehrwegbecher eingeführt, und – Stichwort Diversität – eine Frauen-Kollektion im Merchandising herausgebracht. Auch eine Inklusionsmannschaft soll in den Verein eingeschlossen werden, das ist uns gesellschaftlich wichtig.“ Weil man aber auch in die Zukunft investiert, in die „Teilhabe“, wie Schäfer das nennt, hat man auch die Fan-Trikots für Kinder, die zudem gratis ins Stadion dürfen, billiger statt teurer gemacht. „Das sind die ersten Punkte. Ich bin sehr zufrieden, wie weit wir gekommen sind“, sagt er.

Bei Investoren aus Deutschland läuten hierzulande schon einmal die Alarmglocken. Doch Schäfer betont, dass es hier nicht um klassisches Investment gehe. „Die Idee ist, den Verein zu unterstützen und klarerweise auch abzusichern, falls einmal Geld fehlen sollte, aber vor allem mit Know-how.“ Und dieses besagt vor allem eines: Fußball muss per se kein Verlustgeschäft sein. „Ich habe oft gehört: Jetzt musst du investieren, um wieder aufzusteigen. Oder, um in den Europacup zu kommen, oder um abzusichern. Aber das ist ein Irrglaube, das ist nicht nachhaltig und führt zu Katastrophen, zu dubiosen Investments. Ich habe in Deutschland mit meinen Klubs in allen Ligen Gewinne gemacht.“ Wie das in Kapfenberg gehen soll? Klar, wenn es wirklich gelingt, so viele junge Spieler zu integrieren, kann man Transfererlöse erzielen. Aber im digitalen Zeitalter geht es auch um etwas anderes: Content. „Wir haben systematisch unsere Reichweiten im Digitalen gesteigert, sind jetzt Nummer acht aller Fußballklubs in Österreich und der schon reichweitenstärkste Zweitligist. Wir haben in den letzten 30 Tagen eine Million Menschen erreicht“, freut sich Schäfer, „das schafft Werte, die wir über Sponsoring realisieren. Die Rendite kann unterschiedlich sein. Über Werte, aber auch über Gewinne. Und das ist dann die wirtschaftliche Nachhaltigkeit.“

Auch Fanklubs formieren sich neu. Schäfer: „Wir hatten zuletzt das erste Mal eine Choreo“
Auch Fanklubs formieren sich neu. Schäfer: „Wir hatten zuletzt das erste Mal eine Choreo“ © GEPA pictures

Dementsprechend verwehrt er sich auch dagegen, dass die österreichische zweite Liga oftmals als „Friedhof“ angesehen wird. „Wenn du deine Zahlen im Griff hast, geht das. Auch in der zweiten Liga hier. Wir versuchen, es zu beweisen. Schauen wir, ob es klappt. Aber letztlich muss jedes Handeln so ausgerichtet sein, dass es sich trägt.“ Sportlich ist das Ziel klar: Man will nach oben. Nicht zwingend in dieser Saison, vielleicht auch nicht in der nächsten – aber es soll passieren. „Die Interessen im Fußball sind unterschiedlich: Ein Trainer denkt an die nächsten sechs Spiele, der Sportdirektor an die nächsten zwei Jahre, der Geschäftsführer an die nächsten fünf. Wir versuchen, all diese Interessen unter einen Hut zu bringen.“

Mit dem Erfolg stellen sich dann natürlich Fragen: Das Stadion in Kapfenberg müsste natürlich für die Bundesliga adaptiert werden, keine Aufgabe für den Verein, weiß der Deutsche. „Es entsteht eine Unwucht, wenn ein Verein den Stadionbau in Eigenregie umsetzt, das habe ich bei 1860 München und der Allianz Arena erlebt. Genauso, wenn Spieler kommen, die nicht hierher gehören. Das ist nicht unser Konzept.“

Wie das dann aussieht? Klar und logisch: Der Trainer, der Deutsch-Kurde Ismail Atalan, wird voll unterstützt, weil er den Weg mitgeht. Er setzt auf junge Spieler, auf Entwicklung. „Zu uns kommt keiner, um nur Geld zu verdienen. Wir haben eine klare Idee von Fußball, eine klare Struktur und klare Prinzipien, mit dem Ball oder gegen den Ball, auch charakterliche und menschliche Prinzipien“, sagt er. Viel funktioniere über Intensität, der erste Wunsch sei immer, Tore zu erzielen. Der Glaube, „jedes Spiel gewinnen zu wollen“, soll sich auch auf dem Feld bemerkbar machen. Und: „Wir wollen nach oben, aber mit den Spielern, die wir haben. Bei uns spielen in jeder Partie mindestens vier Spieler aus der eigenen Akademie, das gibt es sonst nirgends.“ Was man schon verbuchen darf: Die Zeiten, in denen viele gern nach Kapfenberg zum Auswärtsspiel kamen, sind vorbei. „Man nimmt uns anders wahr“, sagen Atalan und Schäfer unisono.

Der Weg ist erst 100 Tage alt – und scheinbar schon erfolgreich. Garantie dafür gebe es keine, das wissen Atalan und Schäfer. Der meint: „Der Fußball macht viel richtig, aber in der Konsequenz scheitert es meist ganz oben in den Vereinen. Der Sport muss ein Gefühl dafür haben, was wir machen müssen, um Partner zu haben und Fans teilhaben zu lassen. Wir müssen etwas probieren, sonst bleibt der Fußball stehen.“ In Kapfenberg rührt sich jedenfalls etwas, der „Falkentanz“ der in den sozialen Medien Basis für den Reichweitenerfolg ist, soll noch lange nicht ausgetanzt sein.