Wenn in Hartberg heute vor dem Duell mit Meister und Cupsieger Sturm Graz hoffentlich das „Ausverkauft“-Schild hängt, sind 5024 Zuschauer im Stadion. Man muss es sich schon auf der Zunge zergehen lassen: Wenn der TSV die eigene Arena in jedem Bundesligaheimspiel – also 16 Mal – ausverkaufen würde, dann sind insgesamt weniger Leute beim Spiel als vergangenen Dienstag beim Champions-League-Match von Sturm in Dortmund waren. Für sämtliche Kaderspieler der Grazer war die Kulisse in Dortmund die bislang größte in ihrer Karriere.
Aber auch der eine oder andere Hartberger hat schon in großen Stadien vor vielen Zuschauern gespielt. Youba Diarra etwa mit Cadiz vor 42.000 Zuschauern bei Atletico Madrid (3. Mai 2023). Oder Donis Avdijaj, der für Schalke in Hamburg gegen den HSV vor knapp 50.000 Zuschauern sogar traf (20. Dezember 2016). Das war es auf Spielerseite dann aber schon mit Erfahrung vor einer Riesenkulisse.
Auf der Trainerbank sieht das anders aus. Manfred Schmid war als Co-Trainer von Peter Stöger in Köln und Dortmund engagiert. Und er weiß: „Es ist beeindruckend, wenn du in Dortmund einläufst.“ 24 Spiele lang war Schmid für Dortmund im Amt, mehr als 200 Spiele sind es für den 1. FC Köln. „Das erste Mal Dortmund haut dich um“, sagt er. „Wenn du da reingehst, 25.000 Leute auf der gelben Wand stehen. Das ist eine ganz andere Dimension.“ Und auch wenn der Kick nach einigen Heimspielen in Dortmund etwas weniger wird, „es ist trotzdem immer wieder etwas Besonderes“.
Sturm-Trainer Christian Ilzer fordert „vollen Fokus auf die Bundesliga“ von seinen Spielern. „Der Switch vom Signal-Iduna-Park zur Profertil-Arena gehört mental bewältigt.“ Dass es für die Spieler des Doublesiegers aufgrund der Erfahrung in Dortmund schwierig wird, den Fokus auf dem beschaulichen Sportplatz in der Oststeiermark zu finden, glaubt Schmid nicht. „Ich bin davon überzeugt, sie können den Schalter umlegen.“ Was soll er als Hartberg-Trainer aber auch anderes sagen. ...?
Aus Spielerkreisen hört man da anderes: Von einigen ehemaligen Akteuren, die in der Champions League im Einsatz waren, ist immer wieder eines zu hören: „Klar stellen sich vor allem die routinierteren Spieler vor einem Spiel hin und sagen, dass es keinen Unterschied machen darf, ob man vor mehr als 50.000 Fans in der Champions League spielt oder vor 3000 Zusehern in der Bundesliga. Zu 100 Prozent ist man dann aber dennoch selbst nicht davon überzeugt, muss man ganz ehrlich zugeben.“
„Sturm ist die beste Mannschaft Österreichs“
Egal, ob sich die Sturmspieler von der Sportplatz-Idylle in Hartberg in die Irre führen lassen oder nicht – die Favoritenrolle ist geklärt. Sturm ist Tabellenführer und „die Mannschaft, die es in Österreich zu schlagen gilt“, sagt Schmid. Vor Ehrfurcht erstarren die Hartberger deswegen aber nicht. Gerade zu Hause hat die Form zuletzt gestimmt: Drei Spiele in Folge haben die Hartberger unter Schmid gewonnen, nur in der ersten Runde zu Hause verloren. „Es geht gegen Sturm darum, einen Mittelweg zu finden“, sagt Schmid. Freiheiten nach vorne spielen da ebenso eine Rolle wie Ergebnisorientiertheit. „Wir dürfen auf keinen Fall passiv werden“, sagt Schmid. Und: „Wenn man ihre Spielweise mitspielt, zieht man den Kürzeren.“ Sturm – und das beeindruckt Schmid – hat auch in Dortmund „ihr Ding durchgezogen. Sie haben Abläufe drinnen, sind gut eingespielt. Das ist die beste Mannschaft Österreichs.“
Die Formtabelle der letzten fünf Spiele – seit fünf Bundesligaspielen ist Schmid Trainer der Oststeirer – weist die Hartberger auf dem dritten Rang aus. Nur Sturm und Austria Wien haben mehr Punkte geholt. „Ich bin hergekommen, um nicht alles zu verändern“, erklärt Schmid. „Wir wollen stabiler stehen, aber der Fußball soll bestehen bleiben.“