Nach 72 Minuten war es in Herning um Sturm Graz geschehen. Anders Dreyer traf gerade zum zweiten Mal für die Dänen. Und Feyenoord führte im Parallelspiel gegen Lazio Rom seit wenigen Augenblicken 1:0. Was niemand für möglich hielt – und doch einige befürchteten – schien sich zu bewahrheiten. Sturm scheidet nach einen formidablen Europacup-Herbst mit acht Punkten als Gruppenvierter aus. Das ist davor seit Einführung der Drei-Punkte-Regel noch keiner Mannschaft passiert. In keinem Bewerb. Darf das wahr sein ...?
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Von Anfang an war in Herning vor ausverkauftem Haus zu spüren, dass für beide Mannschaften viel auf dem Spiel stand. Midtjylland musste siegen – und Sturm brauchte ein Remis, wenn Lazio nicht gleichzeitig gegen Feyenoord punktet. Ein Angriff über rechts für Midtjylland, ein Angriff über links für Sturm – es ging von Anfang an hin und her. Mit Jon Gorenc Stankovic als Kapitän, weil Otar Kiteishvili den zuletzt erkrankten Stefan Hierländer ersetzte, erwischte Sturm den besseren Start. William Böving ließ nach Zuspiel von Albian Ajeti die erste gute Gelegenheit liegen (9.), beim fälligen Böving-Eckball verpasste Kiteishvili das Tor (10.).
Aber auch die Dänen ließen sich nicht lumpen. Einen Kiteishvili-Weitschuss hielt Midtjylland-Torhüter Jonas Lössl. Es folgte ein weiter Ausschuss, Amadou Dante sah gegen Gustav Isaksen alt aus und dieser sah den besser postierten Anders Dreyer – 1:0 für die Dänen (15.). Jubel bei Midtjylland – damit steht deren Überwintern in der Europa League fest. Aber Sturm ließ sich nicht beirren, fuhr Angriff um Angriff. Und schoss immer wieder aus der Distanz. Der Plan war das nicht, „aber sie haben uns in der Zehner-Ebene mehr Raum gegeben. Die Abschlüsse musst du nehmen“, sagte Trainer Christian Ilzer, kritisierte aber die fehlende Tiefe im Sturm-Spiel in der ersten Hälfte.
Er brachte nach der Pause David Schnegg und Emanuel Emegha für Dante und Böving. Sturm wurde in der Folge noch druckvoller. Die großen Chancen blieben aus, aber den Dänen behagte das Spiel gar nicht. Schnelle Konter, ja. Aber auch viele kleine Fouls, viele Zeitverzögerungen, Gemächlichkeit bei den Wechseln. Ilzer: „Sie haben das Spiel verschleppt.“ Gerade in der Phase, als Sturm plötzlich ein Tor brauchte, um zu überwintern, weil Feyenoord gegen Lazio führte.
Und als Dreyer wenig später – eben in der 72. Minute – das zweite Tor für Midtjylland machte, war klar: Jetzt braucht Sturm Unterstützung aus Rom. Die blieb aus. Und daher standen die Sturm-Spieler wie begossene Pudel vor den 600 mitgereisten Sturm-Fans, statt mit ihnen ein neues Kapitel Vereinsgeschichte zu feiern. „Das ist Fußball, beinhart. Man kann es nicht ändern“, formulierte Jörg Siebenhandl nach dem Spiel. Gazibegovic: „Die Stimmung ist nicht gut, wird sie auch morgen und übermorgen nicht sein.“
Der Torhüter warnt aber auch: „Wir dürfen uns nicht zu lange mit der Situation aufhalten. Sonst vergeben wir in der Meisterschaft auch eine große Chance.“ Altach ist am Sonntag der nächste Gegner, drum fliegt man direkt nach Friedrichshafen – die Mannschaft will topvorbereitet ins vorletzte Spiel des Jahres gehen. „Jetzt erst recht, kann die einzige Reaktion sein“, sagt Siebenhandl.
Clemens Ticar aus Herning